© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    26/99 25. Juni 1999


Die Lage der SPD
von Alexander Schmidt

Die deutsche Sozialdemokratie hat es nicht leicht. Die Bilanz der ersten zehn Monate offenbart, daß sich die SPD nicht in die Rolle als Regierungspartei hineinzufinden in der Lage ist und das Wort "nachbessern" die besten Chancen auf das Unwort des Millenniums hat. Aus Schröders Vorsätzen aus dem Wahlkampf ist bisher nicht viel geworden. Nur in der Europapolitik hielt er Wort. Sein Versprechen, die Kurve der deutschen Nettozahlungen umzukehren, hat er gehalten. Wir müssen in den kommenden Jahren wieder mehr bezahlen. Ob das so geplant war? In der nationalen Politik wird mittlerweile gemunkelt, daß einige Minister mit ihrem Rücktritt gedroht haben, weil das Essen in der Kantine des Bundestages wiederholt kalt gewesen wäre. Wollen sie ihre Drohung umsetzen, ist Beeilung angesagt, denn auch der Bundeskanzler gefällt sich in der Rolle als Herr über die Minister. Erst soll er Bundesumweltminister Jürgen Trittin damit gedroht haben, ihn zu feuern. Im Gegenzug attackierten die Grünen Jürgen Riester wegen seiner Pläne zur Rentenreform. Das Personenkarussell auf dem Bonner Regierungsjahrmarkt dreht sich schneller und der Schaffner Schröder scheint nicht daran interessiert zu sein, ob den Mitfahrenden schwindelig wird oder nicht. Der war nämlich in der Nachbarschießbude von Tony Blair und hat neue Ideen mitgebracht, die ab jetzt auch deutsche Sozialdemokraten im Herzen bewegen sollen.

Das sogenannte Schröder-Blair-Papier gilt den Modernisierern in der SPD als Allheilmittel, den Traditionalisten um SPD-Fraktionsvize Rudolf Dreßler hingegen als vom Teufel zugespieltes Dokument. Dank des neuen Regierungsstiles werden bis zum Ende der Diskussion um die künftige Richtung einer runderneuerten SPD einige Politiker Federn lassen müssen. Wer indes das Papier aufmerksam studiert, gelangt zu der Erkenntnis: man findet auch hier das Chaos wieder, das den Regierungsalltag in Bonn prägt. Nachbessern. Die Lösung für die Zukunft wird nämlich ebenso kurz und prägnant wie bedeutungslos in einem Satz präsentiert: "Liberalisierung des Welthandels". Über alles weitere denken wir nach, wenn das Papier von den Parteigremien der SPD verabschiedet ist. Wird es aber wohl nicht, denn bei einem Blick in die Vergangenheit hat sich in den meisten Fällen die Parteilinke durch die Hintertür der öffentlichen Gefechte durchgesetzt. Statt Personen aus dem "Seeheimer Kreis" hört man öfter die Stimme des Sprechers des linken "Frankfurter Kreises", Detlev von Larcher. Die SPD läuft zunmehmend Gefahr, auch bis zu den nächsten Landtagswahlen nicht in ihre Rolle hineinzufinden. Dann aber können ihr die Wähler dazu verhelfen, auf den Oppositionsbänken Platz zu nehmen.


 
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