© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    26/99 25. Juni 1999


Venetien: Friulanisch ist zur offiziellen Amtssprache erhoben worden
Schutz des kulturellen Erbes in Nord-Ost
Jakob Kauffmann

In Udine hat der Gemeinderat jetzt Friulanisch zur gleichberechtigten Amtssprache neben Italienisch erhoben. In der Landeshauptstadt der nordöstlichsten italienischen Region Friaul-Julisch Venetien können sich künftig die Stadt- und Gemeinderäte bei den Sitzungen und Eingaben entweder der italienischen oder der friulanischen Sprache bedienen. Sitzungsprotokolle, Beschlüsse und Verordnungen müssen zweisprachig verfaßt werden. Aber nicht nur die Gemeindeväter, sondern alle Bürger können künftig mit allen öffentlichen Ämtern der Stadtverwaltung in friulanischer Sprache kommunizieren. Auch bei Orts- und Straßennamen soll durch Einführung einer italienisch-friulanischen Zweinamigkeit das friulanische Kulturerbe erfaßt, geschützt und wieder zur Geltung gebracht werden. Neben der italienischen Ortsbezeichung Udine wird demnächst auch der historische friulanische Ortsnamen Udin an den Ortstafeln und Hinweisschildern angebracht werden. Weitere Initiativen zum Schutz und zur Aufwertung des Friulanischen sind geplant. Diese "Sprachrevolution" wurde ohne Gegenstimmen bei Stimmenthaltung der postfaschistischen Alleanza Nazionale und des Christdemokratischen Zentrums vom Mitte-Rechts-Bündnis einhellig angenommen. Die Initiative geht auf den Lega-Bürgermeister, Sergio Cecotti, zurück, der von einer "historischen Wende" spricht. Durch den aufkeimenden Regionalismus der Lega Nord bekommen die Friulaner, die rund 80 Prozent der Regionalbevölkerung ausmachen, ein neues Selbstbewußtsein.Das Friulanische gehört zur Familie der alpenromanischen Sprachen wie das Ladinische im einstigen Tirol, und das Rätoromanische im Schweizer Kanton Graubünden. Etliche italienische Sprachwissenschaftler bezeichnen das Friulanische als ausgeprägte italienische Mundart. Bisher waren in Italien nur die Deutschen und Ladiner in Südtirol und im Trentino, die Slowenen im Gebiet von Görz und Triest und die Franzosen im Aostatal als ethnische Minderheiten mit unterschiedlichem Volksgruppenschutz anerkannt. Sarden, Katalanen, Friulaner, Deutsche in Friaul und Venetien, Okzitanen in Piemont sowie Albaner und Griechen in Süditalien genießen bisher gar keine oder nur geringe Minderheitenrechte.

Die Stadt Udine folgte mit diesem Schritt einem Präzedenzfall. Als vor einem Jahr das neugewählte Regionalparlament zur konstituierenden Sitzung zusammentrat, konnten die Abgeordneten erstmals frei die Sprache wählen, in der sie angelobt wurden. Die Lega-Abgeordneten sprachen die Angelobungsformel auf friulanisch, die Slowenen auf slowenisch und die anderen Abgeordneten auf italienisch. Demnächst will das Regionalparlament ein eigenes Gesetz zum Volksgruppenschutz erlassen, das vor allem auch die Friulaner berücksichtigen soll.


 
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