© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    28/99 09. Juli 1999


CD: Wolf Maahn
Liebe und Lyrik
Holger Stürenburg

Genau vier Jahre hatte man von Wolf Maahn nichts mehr gehört. Der einst als "deutscher Springsteen" apostrophierte Kölner Deutsch-Rocker schien vom kommerziellen Scheitern seiner letzten Alben derart desillisioniert, daß man meinen konnte, er habe sich auf Nimmerwiedersehen aus der Musikszene zurückgezogen. Nun liegt "Soul Maahn" vor und zeigt vier Jahre nach dem gut gemeinten, aber hoffnungslos untergegangenen Rockalbum "Libero" einen rundum erneuerten Wolf Maahn. Seine ehemaligen Begleiter, die "Deserteure", hatte der inzwischen 44jährige Musiker bereits 1988 entlassen, und auch seine späteren, immer wieder wechselnden Bandmusiker sind auf "Soul Maahn" nicht mehr zu hören. Anno 1999 kommen nur noch britische Studiostars zum Zuge, wie z. B. Bass-Ass Pino Palladino oder der frühere Dire Straits-Keyboarder Guy Fletcher. Bässe und Keyboards aller Art, Synthesizer und Schlagzeugcomputer bilden auch die musikalische Grundsubstanz von "Soul Maahn"; die Gitarre steht diesmal sehr zurück. Baladesk, "sophisticated", und kaum hymnisch-treibend sind die neuen Kompositionen, die sämtlich aus Maahns Feder stammen und mal lüstern, mal eher feinsinnig daherkommen. Zwei der Lieder klingen nicht nur sehr britisch, sondern sind auch in Englisch gesungen, was bei Wolf Maahn seit "Third Language", seinem schwachen Ausbruch aus der deutschen Sprache vor elf Jahren, nicht mehr vorkam.

Der "Rock-Maahn", der mit "Irgendwo in Deutschland" (1984) oder "Kleine Helden" (1986) zu den Höhepunkten der Deutsch-Rock-Blütezeit der 80er Jahre zählte, ist 1999 der hochemotionale, teils lustbetonte, teils romantische "Soul Maahn" geworden, der den von ihm selbst am meisten gehaßten Kritikervergleich mit dem "Boss" zurückweist, und mit einer Ode an Stevie Wonder ("I wanna thank you") eindrucksvoll darauf hinweist, viel mehr von Soul und Funk zu kommen, denn von klassischem Rock "weißer" Prägung. Leider bleiben, damit verbunden, auch politische, zeitkritische Stellungnahmen in Maahns aktuellen Texten die Ausnahme, auch wenn der (übrigens einzige) schnelle Rocker "Rebellion" durchaus als würdiger Nachfolger von Maahns Pazifistenhymne "Deserteure" (1982) bezeichnet werden kann.

Ansonsten beherrscht das ewige Thema "Liebe" die derzeitige lyrische Welt Wolf Maahns. Wer bei deutscher Rockmusik eher die Texte im Vordergrund sieht (und sich fragt, warum Maahn oder auch seine Kollegen Kunze, Niedecken und andere ihre Lieder überhaupt singen, statt sie in einem Gedichtband zu veröffentlichen), wird bei Maahns Lyrik der Sorte "Heut‘ Nacht will ich Dich ganz", "Ist es Liebe?" oder "In Deinem Bett" sicher die Nase rümpfen. Bei "Soul Maahn" stehen nämlich – im Gegensatz zu früheren Platten – die Musik, die Stimmung, die Sehnsucht nach Gefühlen im Vordergrund. Der Text verleiht dieser Stimmung nur Ausdruck.

"Soul Maahn" bietet durchaus gute Musik zum Tanzen, Träumen, Mitgehen, Mitfühlen. Aber es wäre schon zu wünschen gewesen, daß Maahn auch mal wieder den kritischen Lyriker und Zeitkommentator gezeigt hätte. Denn er mag durchaus "Soul" haben und ausstrahlen, aber seine einstigen Politchroniken wie "Es ist noch so weit", "Gib mit das Fieber zurück", "Rosen im Asphalt" oder "Der Himmel über Dresden (1. September 1989)" waren doch genau das, wofür man ihn liebte. Und davon hat er 1999 nicht mehr allzuviel zu bieten.


 
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