© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    28/99 09. Juli 1999


Oper: Richard Wagners "Tannhäuser" in Zürich
Betten am Strand
Gerd Sauer

Das Zürcher Opernhaus bleibt auf Erfolgskurs. Als Vorbild für sämtliche deutschsprachigen Intendanten darf sich Alexander Pereira ab und an in Szene setzen. Prominent besetzt ist annähernd jede Aufführung, jeden Monat gibt es eine Premiere und gleichwohl braucht er nicht als Subventionsritter so staatsgläubig wie viele andere seiner Kollegen um Gelder fechten.

Das Kultur-Sponsoring funktioniert in Zürich wie in keiner anderen Stadt. Zumal das mit gehörigem Bürgerstolz versehene finanzkräftige Publikum keine Angst zu haben braucht, allzu oft mit irritierenden Neuerungen bedrängt zu werden. Zwar gibt es kaum einen Vertreter des zeitgenössischen Musiktheaters, der nicht in Zürich arbeitet, aber dennoch gibt es immer noch ein genügend großes Angebot an opulenten Inszenierungen für ein Publikum, das die reich ausstaffierten Bühnenbilder und die weit aushohlenden Operngesten liebt.

Dennoch darf es in Richard Wagners "Tannhäuser" nicht allzu naturalistisch zugehen. Der Sängerkrieg auf der Wartburg findet – wie in heutigen Inszenierungen üblich – ohne die dazugehörige Wartburg statt. Lediglich ein archaisches Dekor hat Bühnenbildner Bernhard Kleber für den zweiten Akt vorgesehen. Dafür möchte er dann im ersten Akt mit bunten Prospekten locken. Leider genau dann, wenn die nicht unbedingt zum Gesungenen passen. Wenn es dem Tannhäuser (am Beginn allzu heftig forcierend, erst im Laufe des Abends zu empfindsamen Tönen bereit: Peter Seiffert) im Reich der Venus (stimmlich und schauspielerisch anschmiegsam: Stefania Kaluza) nach der weiten Welt dürstet, dann sind im Hintergrund eine weite Strandlandschaft und ein ebensolcher Himmel zu sehen. Da hätte Tannhäuser ja schon, was er brauchte und könnte sich weiter auf der Heimstatt der Venus aalen. Aber halt, auch Symbole müssen sein: am gemalten Strand befinden sich Dutzende von Betten. Auf einigen liegen Gestalten, als würde man beim Anblick der freien Natur nur noch müde werden.

Der Zuschauer braucht das durchaus nicht angesichts der umtriebigen ersten Operninszenierung des Schauspielregisseurs Jens-Daniel Herzog. Im zweiten Akt agieren denn Tannhäuser und seine Sangeskollegen und späteren Rivalen sehr staatsmännisch, auch wenn einige von Ann Poppel so kostümiert wurden, als müßten sie demnächst in einer von Hecks Hitparaden im Glitzeranzug brillieren. Überhaupt die Kostüme: die Herren tragen standesgemäß lange Mäntel, was heutigen Opernregisseuren als geeignet vorschwebt, wenn nicht mit der ansonsten obligatorischen Arbeiterkluft gespielt werden soll. Im ersten Akt dann finden die Sänger den verzweifelten Tannhäuser, einige sind aus des Landgrafen Jagdgesellschaft gar im Safari-Look ausgestattet, auch ein Vorfahre Crocodile Dundees scheint sich ins Thüringische verirrt zu haben. Solche Äußerlichkeiten stören, sind aber denn doch unerheblich, da Herzog sich, wie in den meisten seiner Schauspielinszenierungen, als gewiefter Dramaturg menschlicher Gefühle erweist. Der Oberspielleiter der Münchener Kammerspiele und zukünftige Schauspieldirektor am Mannheimer Nationaltheater will im Konflikt zwischen dem standhaft seine Sinnlichkeit verteidigenden Künstler Tannhäuser und dem gestrengen Landgrafen Hermann samt dessen Künstler-Gefolge keine sensationellen neuen Aspekte. Hermann ist kein unerbittlich Rächender, sondern ein Mann mit Prinzipien, der diese als unabdingbar für seine Herrschaft ansieht. Er versucht, nicht zu verstoßen, sondern zu retten, was zu retten ist. Seine Nichte Elisabeth muß zwar Verzicht an ihrem geliebten Tannhäuser üben, aber die Hoffnung auf ein glückliches Ende hier sichtlich nicht aufgeben. Nicht nur des hohen Amtes Bürde, sondern auch die damit verbundene Würde zeigt Alfred Muff als Landgraf. Inga Nielsen hat als Elisabeth mitunter Schwierigkeiten mit der Höhe, steht aber in ihrer stimmlichen Sinnlichkeit ihrem Geliebten Tannhäuser kaum nach. Dieser ist am Ende kein Gescheiterter. Zwar muß die Erlösung wohl vertagt werden, aber zurückgekehrt von der Pilgerfahrt nach Rom braucht er dennoch nicht an sich zu verzweifeln. Er stirbt fast lächelnd. Seiffert hat im dritten Akt seine sängerisch größten Momente, und Thomas Hampson steht ihm als meisterlicher Wolfram von Eschenbach stimmstark bei. Eine handwerklich gradlinige Arbeit ist Herzog gelungen, die das Orchester unter Dirigent Franz Welser-Möst unterstützt, ohne jemals aufzutrumpfen. Er hält sich an die 1845 erstmals gespielte Urfassung, und er hat eine kristallklare, in einigen Momenten fast kammermusikalische Ausdrucksweise gefunden.Kein großer Abend, aber eine gediegene Inszenierung ist es dann doch geworden, deren Manierismen im Laufe der Zeit abstumpfen mögen.


 
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