© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    29/99 16. Juli 1999


Hessen: Eine Bilanz der ersten 100 Amtstage des CDU-Ministerpräsidenten
Schritte in die richtige Richtung
Werner Norden

Am 7. Februar erlebte die rot-grüne Landesregierung Eichel/von Plottnitz in Hessen ihr Waterloo. Dank der Unterschriftenkampagne gegen den Doppelpaß war es der hessischen CDU gelungen, auch noch ihre letzten Sympathisanten an die Wahlurnen zu bringen. Mit Roland Koch, der einst als "Junger Wilder" in der Union gehandelt wurde, entstieg der personifizierte Liberalkonservatismus dem Grabe. Inzwischen liegen gut 100 Tage Amtszeit hinter dem studierten Juristen aus Eschborn vor den Toren der Mainmetropole Frankfurt und seinem Koalitionspartner FDP, der es mit 5,1 Prozent Stimmenanteil so gerade noch schaffte, wieder ins Wiesbadener Landesparlament einzuziehen.

Kochs politische Ambitionen – er amtiert zur Zeit als Bundesratspräsident – beschränken sich jedoch keinesweg auf das Hessenland. Gemeinsam mit dem sächsischen Ministerpräsidenten Biedenkopf (CDU) will er die Renten- und Steuerpläne der Bundesregierung kippen. Nach Kochs Ansicht darf es keine Rentenkürzung geben, und die Steuerpolitik von SPD und Bündnis 90/Die Grünen, wonach Unternehmen zukünftig nur 35 Prozent Steuern zahlen müssen, Arbeitnehmer, Freiberufler und Handwerker aber bis zu 48,5 Prozent, hält er sogar für verfassungswidrig.

Aber auch im hessischen Haushalt hat die CDU/FDP-Koalition entsprechende Akzente gesetzt. Wie im Wahlkampf angekündigt und versprochen, erhalten die Schulen durch die Einstellung neuer Lehrkräfte eine Unterrichtsgarantie. Hochschulen und kulturelle Aufgaben werden sogar mit zehn Millionen Mark mehr gefördert, ebenfalls zehn Millionen Mark zusätzlich werden in die von den Rot-Grünen völlig vernachlässigte Verkehrsinfrastruktur gesteckt. Der Bereich der Inneren Sicherheit – den die Union im Wahlkampf als Herzensangelegenheit ausgegeben hatte – bekommt 12,5 Millionen Mark zusätzlich.

Darüber hinaus wollen Innenminister Volker Bouffier und Justizminister Christian Wagner (beide CDU) gegen kriminelle Heranwachsenden konsequent und hart durchgreifen. So sollen bei jugendlichen Mehrfach- und Gewalttätern Möglichkeiten geschaffen werden, diese auch in geschlossenen Heimen – die es allerdings in Hessen bis jetzt noch gar nicht gibt – unterzubringen. Als vordringlich wird auch eine Beschleunigung der Gerichtsverfahren angesehen, damit die Täter möglichst schon nach wenigen Tagen verurteilt werden können. Im Gespräch ist außerdem die geplante Privatisierung neu zu bauender Haftanstalten. Nachgedacht wird im Justizministerium auch darüber, ob es nicht sinnvoller ist, ausländische Kriminelle, die in Hessen immerhin über 50 Prozent der verurteilten Straftäter ausmachen, in Absprache mit ihrem jeweiligen Heimatland ihre Strafe dort verbüßen zu lassen. Dies wäre nicht nur erheblich kostengünstiger, sondern hätte wahrscheinlich auch eine große pädagogisch-psychologische Wirkung, da Strafanstalten in der Türkei, in Marokko oder in Jugoslawien gegenüber entsprechenden deutschen Einrichtungen doch von einer gewissen Einfachheit geprägt sind.

Zwar klingt dies alles recht vernünftig und nachvollziehbar, dennoch hat sich bislang für den Normalbürger – denkt man vor allem an das Thema Innere Sicherheit – kaum etwas geändert. Nach wie vor braucht man nur den Lokalteil einer beliebigen Frankfurter Tageszeitung aufzuschlagen, um schockiert festzustellen, daß Kriminalität und Gewalt keineswegs auf dem Rückzug sind. Gerade ausländische Kriminelle sehen Hessen offenbar immer noch als ihr Eldorado an. Man wird also auch weiterhin die Politik der CDU/FDP-Regierung in Wiesbaden höchst kritisch daran messen müssen, was in der Realität von ihren vollmundigen Versprechungen übrig bleibt.


 
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