© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    29/99 16. Juli 1999


Zitate

"Im neuen Staatsbürgerschaftsgesetz, in der Zuwanderungsregelung – aber natürlich auch durch die Art und Weise, wie die Bundesrepublik sich weiter politisch und juristisch in Europa integriert, rückt Deutschland (und die Regierung befördert dies) von seiner angestammten Identität als Kulturnation ab und gleicht sich langsam dem Selbstbild der meisten westlichen Staaten an: sich als Willensnation zu verstehen. Es schwindet tendenziell die Bedeutung des alten kulturnationalen Bestimmungskataloges Sprache, Geschichte, Abstammung oder Künste, eine Übereinstimmung aller Deutschen umreißend, die sich entschlossen haben, in einer staatlichen Ordnung zusammenzuleben. Das Frankreich oder die USA auszeichnende ’voluntative‘ Moment im nationalen Selbstverständnis rückt dagegen im Zeichen Europas auch für die Deutschen etwas weiter in den Vordergrund: Erst im gemeinsamen Willen, eine bestimmte Verfassungsordnung oder bestimmte politische Prinzipien zu realisieren, gelangt ein Staatsvolk zu dauerhaftem gemeinschaftlichen Bewußtsein."

Thomas E. Schmidt, Feuilletonchef, in der "Welt" vom 13. Juli 1999

 

 

"Die Schneisen im Gesicht der Stadt, die ein verfehlter Fortschrittswahn im Westen wie im Oster hinterlassen hat, sind hier wie da noch immer ein Ärgernis. Im Westen ist die Straße ‘An der Urania’, die in ihren Verlängerungen zum Großen Stern führt, ein Relikt jener Epoche, als man mit einem System von Hochstraßen Berlin überbauen wollte. (…) In der östlichen Stadthälfte zerschneidet eine Vielzahl solcher absurden ‘Magistralen’ das alte Berlin. Man kann kaum noch erkennen, wo einst Hausvogteiplatz und Spittelmarkt lagen und wie der alte Alexanderplatz sich damals in das Straßenbild vor dem Roten Rathaus einfügte. Die Großmannssucht des Politbüros hat das Gesicht Ost-Berlins fast unkenntlich gemacht. Die Betonwüste eines um das Mehrfache erweiterten Alexanderplatzes läßt ihn gar nicht mehr als Stadtplatz erkennnen (…). Das sind bleibende Narben im Antlitz Berlins und eine Herausforderung für Generationen von Stadtplanern."

Wolf Jobst Siedler, Verleger und Publizist,in einer Kolumne für die "Berliner Morgenpost" vom 11. Juli 1999

 

 

"Die Religionsfreiheit der Muslime gilt auch für den Unterricht. Deshalb ist eine islamische Religionskunde in ausschließlich staatlicher Verantwortung genauso ausgeschlossen wie eine christliche Religionskunde, die der Staat unter seine inhaltliche Bestimmungsmacht stellt. Ein solches Fach wäre keinesfalls Ausdruck der Trennung von Staat und Religion, sonders das glatte Gegenteil: der Staat als Interpret der Religion."

Wolfgang Huber, Bischof der Evangelischen Kirche in Berlin-Brandenburg, im "Focus" vom 12. Juli 1999

 

 

"Es gibt einen großen Individualismus. Wer überleben will, muß sich eine Nische finden. Sich mit anderen zusammenschließen, hindert nur am Vorwärtskommen."

Heike Makasch, Schauspielerin, in einem Interview mit dem "Spiegel" vom 12. Juli 1999

 

 

"Mit der Globalisierung wird heute wie früher mit dem Fegefeuer und der Hölle gedroht. Daß Unternehmen, die bis zu 45 Prozent ihrer Produktivität in der Bundesrepublik haben, alles, was sie an Gewinn erwirtschaften, im Ausland investieren, das ist der Skandal. Und daß sich der Siemens-Vorstand öffentlich rühmt, in diesem Jahr keine Steuern in Deutschland gezahlt zu haben, ebenso. Jedem kleinen Angestellten wird das abgezogen, der hat nicht die Chance auch nur der kleinsten Steuerhinterziehung, und die machen das im Großformat. Die wirklich Asozialen laufen heute mit Schlips und Kragen herum. Die sitzen in den Chefetagen."

Günter Grass, Schriftsteller, in einem Interview mit der "Berliner Zeitung" vom 7. Juli 1999


 
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