© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    30/99 23. Juli 1999


Ausstellung: Zur Eröffnung des Jüdischen Museums in Fürth
Fränkisches Jerusalem
Werner Veith

Als fünften Volksstamm Bayerns bezeichnete Ministerpräsident Stoiber die Juden im Freistaat, neben Franken, Altbayern, Schwaben und Studetendeutschen. Anläßlich der Eröffnung des Jüdischen Museums Franken in Fürth betonte Edmund Stoiber die große kulturelle Bedeutung der Juden vor 1933. Stoiber weiter: "Das soll auch in der Zukunft wieder so sein. Deshalb schloß der bayerische Staat einen Vertrag mit den israelitischen Kultusgemeinden des Landes, um das Wachstum der jüdischen Gemeinden zu fördern."

Wie das im einzelnen zu verstehen ist, machte Ignatz Bubis, Vorsitzender des Zentralrates der Juden, deutlich: "Deutschland ist inzwischen das drittgrößte Auswanderungsland der Juden in der Welt. Seit 1990 sind etwa 70.000 Juden in Deutschland eingewandert, meist aus der ehemaligen Sowjetunion."

Ob Bayerns Innenminister Beckstein so begeistert war von Fürths offizieller Parole "Vielfalt ist unsere Stärke" und deren Bestätigung durch seinen Chef Stoiber, ist zu bezweifeln. Über einen Mangel an kulturellen Konflikten kann sich die Kleinstadt wirklich nicht beklagen – Schlägereien zwischen türkischen und russisch-sprechenden Jugendgruppen sind keine Seltenheit. Und im nahen Nürnberg probt die russische Mafia die Machtergreifung im Rotlicht-Milieu, erzählen hiesige Polizisten.

Die kulturelle Vielfalt einschränken möchte der Fürther CSU-Bürgermeister. Er ist damit beschäftigt, aus einer orientalischen Fußgängerzone eine fränkische zu machen – durch Fußball- und Fahrradverbote sowie durch das Abmontieren zahlreicher Sitzgelegenheiten, die gerne von südeuropäischen und kleinasiatischen Großfamilien genutzt wurden.

Edmund Stoiber fand nur positive Worte für die Fürther Juden. Er verwies auf ihren Gemeinsinn, auf die jüdischen Stiftungen, von denen auch die Christen profitierten. Nüchtern kommentierte das eine freie Mitarbeiterin des Jüdischen Museums: "Viele Juden hatten auch genügend Geld, um zu spenden. Sie kontrollierten den Großhandel, waren oft Hausierer, Hopfen- oder Viehhändler."

Vergleicht man die Aussagen Stoibers mit denen von Immanuel Kant, dann ist es wie Tag und Nacht: Der Moralphilosoph sprach vom Wuchergeist der Juden und dem nicht unbegründeten Ruf des Betrugs. "Alle ihre Talente und Kenntnisse drehten sich um Ränke, Kniffe und Pfiffe, mit einem Worte, sie hätten alle nur einen Judenverstand", so schildert ein Zeitgenosse von Kant die Meinung des Königsberger Philosophen.

Wie lassen sich die Aussagen von Stoiber und Kant in Einklang bringen? Ist Stoiber ein Schmeichler, der es sich als potentieller Bundeskanzler mit den jüdischen Organisationen nicht verderben möchte? Oder Kant ein Lügner, ein von Vorurteilen durchsetzter Trommler?

Auf diese Fragen sollte ein jüdisches Museum antworten können, zum Beispiel durch einen Vergleich der Wirtschaftsstile "Ostpreußen um 1790" mit "Franken zu Beginn des 20. Jahrhunderts". Doch es ist unwahrscheinlich, daß das Museum in Fürth derartige Ausstellungen realisieren kann, weil die Museumsmacher keine Wirtschaftshistoriker sind, sondern Volkskundler und Kunsthistoriker.

Gegliedert ist das Museum in 17 Themenstationen, die sich um 17 Bücher drehen: religiöse Werke in Hebräisch und Deutsch, wissenschaftliche Abhandlungen, Romane und Gebrauchsliteratur wie Taschenkalender und Denkspiele. Sie spannen einen Bogen vom Mittelalter bis in die Gegenwart. In den Themenstationen werden die Werke erläutert und oft durch wertvolle religiöse Gegenstände veredelt. Die zentrale Rolle der Bücher begründet sich aus der herausragenden Stellung des Schriftlichen im jüdischen Leben. "Um 1500 konnten etwa 90 Prozent der (männlichen) Juden schreiben und lesen, bei den Christen dagegen nur zehn Prozent", sagt die Historikerin Nicole Gunkel.

Fürth galt vor dem Zweiten Weltkrieg als das fränkische Jerusalem, hatte die größte jüdische Gemeinde in Süddeutschland. 1528 siedelte sich der erste Jude in Fürth an, 1772 waren bereits 22 Prozent der Stadtbevölkerung jüdisch, 1882 wohnten 3.336 Juden in der Stadt, das entsprach einem Anteil von 28 Prozent. Konservative und Reformjuden stritten um den Einfluß in der Talmudschule. Die konservative hebräische Druckerei Zirndorfer verweigerte dem Reformrabbiner Loewi die Verwendung hebräischer Buchstaben.

Ergänzt wird die ständige Sammlung durch Sonderausstellungen, zum Beispiel über den Rabbiner Kaufmann Kohler (1843–1926), der durch seine radikalen Thesen einen Sturm der Entrüstung hervorrief, so daß eine Anstellung als Rabbiner in Deutschland unmöglich war. In den USA entwickelte sich Kohler zu einem führenden Vertreter des Reformjudentums.

Wenig Freude wird diese Ausstellung beim konservativ-orthodoxen Rabbiner Wurmser in Fürth auslösen. Bei der Eröffnung des Museums setzte er durch, daß die Orchestermusiker nicht spielen durften. Begründung: die jüdische Trauerwoche verbiete Musik. Das Argument von Museumsleiter Purin – "Wir sind eine wissenschaftliche Einrichtung, keine religiöse" – blieb wirkungslos. Werner Veith

Informationen zu aktuellen Ausstellungen des Jüdischen Museums Franken (Königsstraße 89, 90762 Fürth) unter Tel. 0911 / 77 05 77. Öffnungszeiten: So-Fr 10-17 Uhr, Di 10-20 Uhr


 
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