© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    31-32/99 30. Juli / 06. August 1999


Südtirol: Pius Leitner, Vorsitzender der Freiheitlichen in Südtirol, im Gespräch
Tiroler Stimmen in Straßburg"
Jakob Kaufmann

Herr Leitner, im Straßburger Parlament, das jetzt über die neue Kommission entscheidet, sitzen zwei Südtiroler: Medienchef Michl Ebner dank einer Listenverbindung mit Prodis "Demokraten" für die regierende SVP und der Extrembergsteiger Reinhold Messner, gegen den Willen seiner Südtiroler Parteikollegen für die gesamtitalienischen Grünen. Wo bleibt die deutsche Opposition?

Leitner: Südtirol ist im Verhältnis zu seiner Einwohnerzahl mit zwei Abgeordneten im europäischen Parlament bereits übervertreten. Die deutsche Opposition hätte nur dann eine Chance, wenn sie geschlossen ebenfalls ein aussichtsreiches Listenbündnis einginge. Die Lega kam wegen ihrer offenen Pro-Serbien-Haltung nicht in Frage, ein anderer natürlicher Partner ist derzeit auf Staatsebene nicht vorhanden. Das Listenbündnis der Union für Südtirol beinhaltete gleichzeitig ein Veto gegenüber den Freiheitlichen, das Ergebnis war mehr als kläglich.

Wann wird es einen Südtiroler auf der EU-Liste der FPÖ geben, nachdem bereits 1996 und 1999 Gespräche darüber geführt wurden?

Leitner: Die Südtiroler Freiheitlichen haben, gerade wegen der unverständlichen Haltung der Union für Südtirol, das Ziel verfolgt, einen Kandidaten auf die österreichische FPÖ-Liste zu setzen. Es bestand der erklärte Wille dazu, und ich wurde zunächst auch auf die Liste gesetzt. Das österreichische Wahlrecht schreibt jedoch einen ständigen Wohnsitz in Österreich vor. Es gilt jetzt, diesen Passus zu streichen.

Hätten die Freiheitlichen die gesetzlichen Bestimmungen nicht schon kennen müssen, bevor sie einen Kandidaten benennen?

Leitner: Die Südtiroler Freiheitlichen haben sich an den italienischen Bestimmungen orientiert, in der Meinung, diese würden in allen übrigen Mitgliedstaaten auch gelten. Wir waren in der Euphorie wohl ein bißchen oberflächlich.

FPÖ und Lega Nord führten bereits erste Gespräche zur Bildung einer gemeinsamen Fraktion in Europa. Sie haben sich im Herbst 1997 für ein "Padanisches Parlament" ausgesprochen, zu dessen Wahl die Lega Nord aufgerufen hatte und das sie kürzlich wieder aufgelöst hat.

Leitner: Selbstverständlich war ich für ein "Padanische Parlament" auf der Grundlage der Selbstbestimmung. Leider ist Lega-Chef Bossi selber nicht konsequent geblieben. Er hat viel an Glaubwürdigkeit verloren.

Sie haben sich bereits 1991 anläßlich der aufsehenerregenden Kundgebung "Nachdenken über Tirol" am Brenner für die Idee einer Europaregion Tirol ausgesprochen. Die Verwirklichung dieser Idee kommt seit einigen Jahren nicht recht voran. Hat der massive römische Widerstand sein Ziel erreicht, oder fehlt es auch in den Tiroler Landesteilen an nötigen Konzepten und Initiativen?

Leitner: Die von den Anwesenden verabschiedete Resolution ist heute mehr oder weniger Regierungsprogramm, obwohl die SVP damals offiziell Widerstand leistete. Die Umsetzung stockt aber, da haben Sie leider recht. Seit 1992 tagt der sogenannte Zweilandtag Nord- und Südtirols nicht mehr. Deshalb können keine institutionellen Initiativen vorangetrieben werden. Der Druck muß wohl wieder einmal von außen kommen.

Was meinen Sie mit "von außen"?

Leitner: Damit meine ich politische Vorfeldorganisationen, zum Beispiel den Schützenbund oder Initiativgruppen wie das Promotorenkomitee der großen Brennerkundgebung von 1991. Auch in der Tirolfrage muß der Druck auf die Institutionen aus dem Volk kommen. Erst dann wird sich auch die SVP rühren.

Die Gemeindeverwaltung von Tramin wurde angeklagt, weil sie einsprachig deutsche Straßenschilder anbringen ließ. Der Konflikt um die Ortsnamen bildet einen alten und heiklen Streitpunkt zwischen den Volksgruppen und Rom. Welche Lösungsmöglichkeiten sehen Sie?

Leitner: Ortsnamen sind Denkmäler der Kultur- und Siedlungsgeschichte eines Volkes und als solche in höchstem Maße schützenswert. Die Lösung der Ortsnamenfrage steht bereits zum dritte Mal im Koalitionsprogramm der Landesregierung. Sie wird von Jahr zu Jahr schwieriger, weil die Italiener den Standpunkt vertreten: Je länger ich einen Namen gebrauche, desto größere Berechtigung hat dessen Aufrechterhaltung. Derzeit gelten amtlich nur die von Ettore Tolomei willkürlich ins Italienische übersetzten Ortsnamen. Das ist ein kulturpolitischer Skandal, der in Europa seinesgleichen sucht. Die historische Lösung, das heißt die Wiederherstellung der Situation vor 1918, ist wohl kaum durchsetzbar. Persönlich bin ich für die von der Uno vorgesehene Prozentklausel, wie sie ja in anderen Ländern praktiziert wird. Wo eine Sprachgruppe zwanzig Prozent erreicht, soll sie das Recht auf eine Ortsbezeichnung in der eigenen Sprache erhalten. Für die Ladiner braucht es natürlich eine eigene Regelung.

Seit den achtziger Jahren sprechen Vertreter der italienischen Sprachgruppe von einem "Unbehagen" in bezug auf das Zusammenleben mit den Deutschen. Parallel dazu spricht man jüngst auch von einem gestärkten Selbstbewußtsein der Ladiner. Wie bewerten Sie den Umgang der drei Sprachgruppen Südtirols miteinander?

Leitner: Das "Unbehagen" ist lediglich der Versuch, den Südtirolern ein schlechtes Gewissen einzureden, wenn diese auf ihre Rechte pochen. Leider fallen auch Südtiroler auf dieses Spiel herein und erbarmen sich der "armen Italiener". 300.000 Südtiroler werden 56 Millionen Italiener wohl kaum gefährden können, oder?


 
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