© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    31-32/99 30. Juli / 06. August 1999


Brandenburg: Vor der Landtagswahl gewinnt die CDU an Boden
Schönbohm jagt Stolpe
Klaus Treimer

Langsam wird mit dem Näherrücken der Landtagswahl am 5. September in Brandenburg das Undenkbare denkbar: Die SPD verliert ihre absolute Mehheit. Ob mehr das schlechte Ansehen der SPD-geführten Bundesregeierung oder die erstaunliche Präsenz des CDU-Landesvorsitzenden und Spitzenkandidaten Jörg Schönbohm die politische Stimmung im Land so nachhaltig verändert haben, ist schwer zu entscheiden.

Tatsache aber ist, daß die Ergebnisse der Meinungsumfragen seit einigen Monaten immer eindeutiger in diese Richtung gehen. In einer Anfang Juli veröffentlichten Umfrage kam die SPD auf 42 Prozent, die CDU steigerte sich auf 29 Prozent, und die PDS erhielt 20 Prozent. Die Bündnisgrünen und die FDP blieben mit drei beziehungsweise einem Prozent chancenlos. Auch sonstige Parteien kamen nur mit etwa einem Prozent vor. Damit würde die CDU wieder den Wert erreichen, den sie bei der Landtagswahl von 1990 erreichen konnte, ihr Niedergang wäre gewissermaßen aufgefangen.

Offiziell gibt sich die SPD-Spitze siegesgewiß

Entscheidender dürfte aber sein, daß eine Mehrheit der Brandenburger von 54 Prozent für eine große Koalition zwischen Sozial- und Christdemokraten plädiert. Offiziell gibt sich die SPD-Spitze zwar noch siegesgewiß, jedoch gesteht sie ein, daß die Umfragewerte die reale Stimmung widerspiegelt.

Aufschlußreicher sind die konfus wirkenden Versuche, diesem Trend entgegenzusteuern. So kupferte – offensichtlich in der Hoffnung, damit einer deutlich anwachsenden Kritik am Bildungsbereich die Spitze nehmen zu können – Ende Juni der SPD-Parteitag gnadenlos bei der CDU ab und schrieb ein Zentralabitur nach zwölf Jahren in das Wahlprogramm.

Der zuständigen Bildungsministerin Angelika Peter, die erbitterten Widerstand geleistet hatte, blieb nur noch hilflos gegenüber der Presse zu beklagen, daß "hohe Werte" der bisherigen Politik handstreichartig über Bord geworfen worden seien und daß sie der neuen Landesregierung nicht mehr angehören wolle. Die gleiche Irritation ist verständlicherweise zu spüren, wenn versucht wird, die alte Methode "nur Stolpe und die SPD" schützen die Brandenburger von Bonn, wiederzubeleben.

Dies ist der Fall, wenn beispielsweise der brandenburgische Ministerpräsident Manfred Stolpe im Bundesrat ankündigt, sich für gerechtere Ostrenten einsetzen zu wollen, wobei seine Sozialministerin Regine Hildebrandt die geplante Rentenreform für zumutbar hält. Spätestes an Bundeskanzler Schröder dürfte ein Versuch Stolpes scheitern, sich in diesem Augenblick gegen die Bundesregeierung zu profilieren. Wie jetzt aus dem Parteirat der SPD bekannt wurde, ist Bundeskanzler Schröder bereits sehr deutlich geworden: "Wenn der Genosse Manfred meint, daß er mich weiter öffentlich bloßstellen kann, dann hat er sich getäuscht."

So bleibt den Sozialdemokraten im Grunde nur, die wenigen vorzeigbaren Ergebnisse ihrer Politik, wie ein überdurchschnittliches Wirtschaftswachstum, herauszustreichen, aber sich vor allem auf die alten, etwas ermatteten Lichtgestalten Stolpe und Hildebrandt zu stützen.

Und tatsächlich erklärt SPD-Landeschef Steffen Reiche die kommende Wahl zu einer Abstimmung über Stolpe und Hildebrandt, ansonsten komme zuerst das Land und dann erst die Partei. Zudem wird versucht, das alte brandenburgische "Wir-Gefühl" wiederzubeleben, in dem man sich lange Zeit trotzig in Brandenburg gegenüber Bonn eingerichtet hat.

Verhältnis zwischen SPD und PDS ist belastet

Die PDS als dritte ernstzunehmende politische Kraft in Brandenburg hat sich offensichtlich auf fünf weitere Jahre auf den Oppositionsbänken eingestellt. Für eine Koalition oder eine Tolerierung nach dem Modell in Sachsen-Anhalt verlangt sie einen "radikalen Kurswechsel" der SPD, räumt aber zugleich ein, diesen nicht wirklich anzustreben. Obwohl sich in Brandenburg SPD und PDS frühzeitig so nah waren wie in keinen anderen der neuen Bundesländer, ist das Verhältnis zwischen beiden jedoch mittlerweile schwerer belastet, als zu vermuten ist.

Die CDU hingegen lebt derzeit in einer komfortablen Situation. Die Umfragen fallen seit Monaten zu ihren Gunsten aus, und der wesentliche Teil der SPD scheint sich im Inneren mit eine großen Koalition abgefunden zu haben. Inhaltlich hat sich die SPD auf die CDU zubewegt.

Der erst im Januar dieses Jahres ins Amt gewählte CDU-Landesvorsitzende Schönbohm hat es geschafft, die Distanz zur SPD nicht zu groß werden zu lassen. Die größte Gefahr, die der Union droht, ist sie selbst. Denn die entscheidende Ursache des für die CDU günstigen Meinungsklimas liegt beim Spitzenkandidaten, der jedoch bald ungeduldig werden dürfte, wenn der Rest der Partei nicht bald eine Spur von dem Engagement zeigt, das er seit einem halben Jahr an den Tag legt.

Nachdem der frühere Bundeswehr-General und ehemalige Berliner Innensenator die in Brandenburg heillos zerstrittene Partei in nur wenigen Monaten hinter sich vereinen konnte, ist es ihm in einem Kraftakt ohnegleichen gelungen, durch eine Vielzahl von Reisen durch brandenburgische Städte und Dörfer seinen Bekanntheitsgrad enorm zu steigern und beim gewöhnlichen Brandenburger eine große Akzeptanz zu finden.

Auch in der öffentlichen Wahrnehmung konnte Schönbohm für die CDU einen Kompetenzgewinn erzielen – vor allem in den Bereichen Wirtschaft und Arbeit, Justiz und Innere Sicherheit der jetzt auch im Wahlkampf genutzt werden soll.

Wie sehr die CDU bereits mobilisierungsfähig ist, werden zwar erst die nächsten Wochen zeigen. In jedem Fall wird die Union aber gut beraten sein, weiterhin auf ihr einziges Zugpferd zu setzten, wie sie es in diesen Tagen gerade vormacht. Unter einem einsamen Sonnenschirm prangen die Worte: "Schönes Wetter, schöner Urlaub, Schönbohm".


 
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