© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    33/99 13. August 1999


Kulturtagebuch: Wie Außenminister Fischer seine alten Kleider entsorgt
Die zweite Haut hängt jetzt im Museum
Andreas M. Daniel

Der Kanzler hat’s vorgemacht, Jürgen Trittin ist nachgeeilt, und jetzt hat auch Joschka Fischer die Kleiderfrage für sich entdeckt. Einem Zeitungsbericht zufolge hat der Außenminister seinen Anzug, der auf dem Himmelfahrts-Parteitag der Grünen in Bielefeld bei einer Farbbeutel-Attacke ruiniert wurde, dem Bonner Haus der Geschichte zur Verfügung gestellt. Auf dem Sonderparteitag am 13. Mai war Fischer von einem Gegner des Kosovo-Krieges mit einem mit Buttersäure versetzten Farbbeutel beworfen worden. Wie der Direktor des Museums mitteilte, soll das bei dem Anschlag in Mitleidenschaft gezogene Kleidungsstück zusammen mit einem Foto oder Film über das Attentat ausgestellt werden. In dieser Kombination werde das eine "besondere Attraktivität haben. Es zieht Besucher an, es fesselt sie, und sie reden darüber", sagte Schäfer. Die roten Farbflecken auf dem dunkelblauen Anzug werden die Ausstellungsbesucher allerdings vergeblich suchen. Fischer habe sich erst nach zweimaliger Reinigung des Anzugs der Marke "Needes Clothing Company" dazu entschlossen, sich von dem Kleidungsstück zu trennen. Und das offenbar auch nur schweren Herzens, denn Fischer habe diesen Anzug sehr gern gehabt, weiß Schäfer. "Er sagte, er habe ihm gepaßt wie eine zweite Haut."

Mit seinem Kleider-Coup hat der beliebteste deutsche Politiker (so eine aktuelle Emnid-Umfrage im Auftrag des Spiegel) seinen Chef im Kanzleramt spielend übertrumpft, ganz zu schweigen von Fischers ungeliebtem Parteifreund im Umweltministerium. Während Schröders Model-Auftritt in einem Hochglanzmagazin der Lifestyle-Presse der Vergessenheit anheim gefallen ist und von Nachzügler Trittin kaum jemand Notiz nehmen wollte, ist es Fischer nun schon zum zweiten Mal gelungen, sich nachhaltig zu verewigen. Nachdem er bereits mit seinen Turnschuhen, in denen er sich 1985 in Hessen als bundesweit erster Grünen-Minister vereidigen ließ, in der Ausstellung "Wege der Deutschen" im Berliner Martin-Gropius-Bau Präsenz zeigt, markiert er künftig auch in der Bonner Schau einen Ausschnitt allerjüngster deutscher Nachkriegsgeschichte(n). Die Altkleidersammlung hat an Joschka Fischer wahrlich wenig Freude.


 
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