© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    34/99 20. August 1999


Stellungskrieg
von Michael Oelmann

Was isteigentlich ein politisches Sommertheater? Drei Dinge bedarf es für eine solche Inszenierung: Medial-saisonale Vakuen, persönliche Profilierungsbedürfnisse und eines aus den beliebten Sparten Personal, Posten, Geld oder Steuern. Beim jetzigen Streit in der SPD – Initialzünder war Fraktionschef Struck mit seinen "radikalen" Steuerideen – kam all dieses zusammen. Und doch ahnt man: dem Gezänk ist mehr dran.

Mit dem Bundestagswahlerfolg im Rücken haben sich die Genossen bis heute die Laune kaum vermiesen lassen, weder durch die nachfolgenden herben Landtags- und Europawahlschlappen im Akkord, noch durch den Nimbus, bis dato eine chaotische Regierungsarbeit abgeleistet zu haben. Einiges zur guten Laune trug und trägt vor allem der Kanzler und Parteivorsitzende bei. Schröder steht seinem Vorgänger Kohl in taktischer Politrafinesse wenig nach: Auch Schröder sitzt aus (zur Zeit unter italienischer Sonne). Schröders wie Kohls wichtigste Tugend scheint die Geduld, oder, philosophisch ausgedrückt: das Nicht-Tun innerhalb zweier Wahlperioden, zu sein. Kanzler in Deutschland muß man werden und bleiben, nicht sein. Bloß nicht einmischen, sich schadlos halten, abwarten und dann auf den opertunsten Zug aufspringen ist die Devise, nach der von den beiden letzten deutschen Regierungschefs, also seit einer Ewigkeit, regiert wird.

Doch Schröder sollte sich nicht verschätzen. Wie jetzt am Steuerstreit zeigt sich, daß seine Sieger-SPD des letzten Herbstes ein wenig stabiles Konstrukt ist. Schröders feindliche Übernahme auch des SPD-Vorsitzes bedarf stetiger politischer Erfolgs- und vor allem innerparteilicher Machtbeweise. Lafontaine, und mit ihm der starke traditionalistische Flügel, sind in ihrem politschen Abseits nur scheintot. Die deutschen Sozis sind von einer reformerischen Partei à la New Labour noch weit entfernt.

Einiges wurde den Genossen schon zugemutet, und es ist klar: soll es mit Deutschland vorangehen, muß dazu noch eine Menge folgen. So hat Peter Struck mit seinem Vorschlag, drei geringe, einheitliche Steuersätze einzuführen, eigentlich nur einen Allgemeinplatz notwendiger Struktureformen benannt. Aber eben auch einen einen veritablen innerparteilichen Sprengsatz, der zeigt, wie reformfähig oder -unfähig die SPD wirklich ist. Solange keine deutsche Regierung des großen Wurfes fähig ist, und das ist unter bundesrepublikanischen Verhältnissen nicht zu erwarten, wird der Stellungskrieg um jeden Meter Reform anhalten. Und bei den Genossen wird dieser besonders erbittert geführt.


 
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