© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    36/99 03. September 1999


Kolumne
Weiter so, Europa?
von Klaus Hornung

Im September wird in Brüssel die neue EU-Kommission unter Romano Prodi installiert, nachdem die Vorgängerin unter Jacques Santer in einem Sumpf der Korruption unterging. Dieser Untergang erschütterte das Europa der 15 in seinen Grundfesten. Die neuen Kommissare werden vom Europäischen Parlament zwar erstmals auf Kompetenz und Charakter durchleuchtet. Doch die Ausübung anonymer, undemokratischer Macht in Europa wird fortdauern und mit ihr eingeschliffene Mentalitäten: "Die saftigen finanziellen Privilegien, die Distanz von der öffentlichen Meinung, der unausrottbare Hang zur Umverteilung von Steuergeldern und die fixe Vorstellung, daß Europa nur bürokratisch integriert werden kann" (Bruno Bandulet).

Prodi will zwar künftig "saubere Hände" in Europa. Es bedürfte aber eines wahren Herkules im Augiasstall, wenn in Zukunft zig Millionen, wenn nicht Milliarden Steuergelder nicht verplempert werden oder in dunklen Kanälen verschwinden sollten. Mit ihrer Absicht, den deutschen Kostenbeitrag für die EU zu reduzieren, ist die Regierung Schröder bereits frontal gescheitert: Er wird auch künftig rund 60 Prozent des gesamten EU-Haushalts ausmachen, ohne daß Deutsch neben Englisch und Französisch als offizielle Amtssprache in der Gemeinschaft eingeführt oder der deutsche Anteil an der dortigen Beamtenschaft aufgestockt würde. Der Wahnsinn der plan- und lenkungswirtschaftlichen europäischen Argrarwirtschaft wird weitergehen, die die Großen unterstützt und die kleinen und mittleren Bauern ruiniert, ebenso die Tatsache, daß die Brüsseler Gehälter stets das Doppelte der in Deutschland üblichen betragen; für die Kommissare derzeit 30.000 Mark monatlich. Das Europaparlament, das keine Gesetze einbringen und keine abschaffen kann, wird weiterhin 300 Millionen Mark jährlich kosten, worin die Diäten und Zuwendungen für die 626 Abgeordneten noch nicht einmal enthalten sind.

Das einst von Ludwig Ehrhard befürchtete "bürokratisch manipulierte Europa" ist längst Wirklichkeit geworden. In Brüssel selbst spottet man, das einstige Moskauer Politbüro sei dorthin umgezogen und nenne sich nun "Kommission". Die Vision des anderen Europa bewegt in Europas "heimlicher, unheimlicher Regierung" kaum jemand: ein schlankeres und dadurch stärkeres Europa, die organisierte Zusammenarbeit der Staaten, an deren Ende ein mächtiger Staatenbund stehen könnte als "unentbehrliche Voraussetzung für das Gleichgewicht dieser Welt" (de Gaulle). Das wäre ein Europa ohne Totalharmonisierung und Umverteilung in Permanenz, ohne den Paragraphenwahn, aber im realen Bewußtsein einer gemeinsamen Kultur.

 

Prof. Dr. Klaus Hornung lehrte Politikwissenschaft an der Universität Stuttgart-Hohenheim.


 
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