© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    37/99 10. September 1999


Umweltpolitik: Vor 25 Jahren wurde das Umweltbundesamt gegründet
Prioritätenwandel im Umweltschutz
Gerhard Quast

Die Umweltprobleme sind heute weniger gut mit unseren Sinnen erfaßbar als die alten Probleme, wie etwa Rauch aus Schornsteinen", meinte Andreas Troge, Präsident des Umweltbundesamtes (UBA), anläßlich der bevorstehenden Feierlichkeiten zum 25jährigen Bestehen des UBA und mit Blick auf dessen zukünftige Arbeit. Als Beispiel für die neu aufgetauchten Umweltprobleme nannte Troge die langfristigen Wirkungen von Chemikalien auf das Hormonsystem von Mensch und Tier. "Gerade diese schleichenden Umweltprobleme können fatale Folgen haben, weil es zu spät für wirksame Maßnahmen werden kann." Den Umweltschutz angesichts anderer dringender Probleme zu vernachlässigen, wäre seiner Ansicht nach ein schwerer Fehler.

Dieser von Andreas Troge angesprochene Prioritätenwandel ist eine von sechs wichtigen Veränderungen, die sich in den letzten Jahrzehnten im Umweltschutz vollzogen und nach Ansicht des Präsidenten auch in der Arbeitsweise des Bundesamtes niedergeschlagen haben:

- Von sinnlich wahrnehmbaren zu eher abstrakten Umwelterscheinungen: Die für jeden sichtbar verschmutzten Flüsse gehören weitgehend der Vergangenheit an. Abstrakte Probleme wie die hormonellen Wirkungen synthetischer Chemikalien prägen heute die Umweltpolitik.

- Von der lokalen zur globalen Perspektive: Lokale Umweltprobleme (Schaumkronen in einem begrenzten Gewässerabschnitt) wurden abgelöst von regionalen (Waldsterben im Alpenraum) und schließlich sogar von globalen Betrachtungen (das Vordringen der Wüsten oder der Treibhauseffekt).

- Vom nachsorgenden zum vorsorgenden Umweltschutz: Während sich die Umweltpolitik früher weitgehend auf den Schutz des Menschen in der Gegenwart konzentrierte, geht der Trend heute hin zu einer vorsorgenden Umweltpolitik, die auch die Interessen künftiger Generationen berücksichtigt.

- Von End-of-pipe-Technologien zur Analyse der Lebenswege: Dieser Aspekt betrifft die umweltpolitischen Strategien, nämlich von der Behandlung der bereits entstandenen Belastungen hin zur Vermeidung der Entstehung von umweltrelevanten Stoffen.

- Von einer medienbezogenen zur medienübergreifenden Betrachtung: Die Bewertung der Umweltbelange getrennt nach den Bereichen Luft, Wasser, Abfall wandelte sich zunehmend zu einer integrierten, alle Medien betreffenden Wahrnehmung der Umweltprobleme.

- Von einer disziplinären zur interdisziplinären Diagnose und Therapie: Dieser Wandel wird insbesondere bei der Umsetzung des Leitbildes der nachhaltigen Entwicklung deutlich, die die Vernetzung von gesellschaftlichen und ökologischen Prozessen erfordert.

Gegründet wurde das Umweltbundesamt vor einem Vierteljahrhundert als selbständige Bundesoberbehörde mit Sitz in Berlin-Grunewald. Erster Präsident des 173 Mitarbeiter starken Amtes war der Jurist Heinrich Freiherr von Lersner (der mehr als zwei Jahrzehnte residierte und erst 1995 durch Andreas Troge abgelöst wurde). In den folgenden Jahren prägte das UBA – das seit 1986 zum Geschäftsbereich des neu eingerichteten Bundesumweltministeriums gehört – mit seinen wissenschaftlichen Studien ganz wesentlich das Profil der Umweltpolitik in Deutschland. In vielen Bereichen hatte das UBA eine absolute Vorreiterrolle. In Forschungsvorhaben oder durch den Bau von Demonstrationsanlagen, mit denen bewiesen wurde, daß die Einhaltung anspruchsvoller Standards technisch möglich und wirtschaftlich verhältnismäßig ist, wurde beispielhaft gezeigt, daß Umweltschutzmaßnahmen durchaus mehr nutzen als kosten können und daß durch zukunftsweisende Investitionen und die Verbesserung der technischen Effizienz nicht nur erhebliche Einsparpotentiale realisiert, sondern auch mehr Arbeitsplätze geschaffen als vernichtet werden. Das UBA hat so frühzeitig die Relevanz der Umweltpolitik als Motor für die Wirtschaft deutlich gemacht und Investitionen in diesen Bereichen selbst auch gefördert. Seit 1979 wurden Fördergelder in Höhe von rund zwei Milliarden Mark bereitgestellt.

Nicht minder wichtige Arbeiten leistete das UBA beim produktbezogenen Umweltschutz. Auf einer 1978 veranstalteten internationalen Tagung wurde erstmals in Deutschland über die damals noch heftig umstrittene These der ozonzerstörenden Wirkung der Fluorchlorkohlenwasserstoffe (FCKW) diskutiert. Forderungen des UBA, den FCKW-Verbrauch unter Vorsorgeaspekten zu verringern, blieben allerdings erfolglos – bis 1985 das arktische Ozonloch entdeckt wurde. Wirkungsvoll waren auch die Asbest-Forschungen. Bereits 1980 legten Wissenschaftler des UBA einen umfassenden Bericht über die Umweltbelastungen durch Asbest vor. Diese Studie gab schließlich den Anstoß für den Ausstieg aus der Asbestverwendung in Deutschland.

Wichtige Vorarbeiten hat das UBA auch für das in Planung befindliche Umweltgesetzbuch geleistet, das zur Harmonisierung und Systematisierung des bestehenden Umweltrechts beitragen soll.

Nicht zu vergessen: Mit fachlicher Unterstützung des UBA wird seit 1978 der "Blaue Engel" vergeben, ein Umweltzeichen, das auf Produkte hinweist, die umweltfreundlicher sind als andere Waren der gleichen Produktgruppe. Derzeit dürfen mehr als 4.000 Artikel von rund 800 Herstellern das international erfolgreichste Umweltzeichen tragen.

Heute beschäftigt das UBA rund 1.200 Mitarbeiter. Die Arbeit des Bundesamtes steht auf drei Säulen: Das UBA ermittelt, beschreibt und bewertet den Zustand der Umwelt, um Beeinträchtigungen möglichst frühzeitig zu erkennen. Es entwirft fachliche Konzepte zur Lösung und schlägt wirksame Maßnahmen zum Schutz der Umwelt vor. Und es informiert die Öffentlichkeit. Hinzu kommen Einzelaufgaben wie zum Beispiel im Rahmen der Zulassung von Chemikalien, Pflanzenschutzmitteln und gentechnischen Freilandversuchen.

Einschneidende Veränderungen kommen auf die Mitarbeiter in den nächsten Jahren zu: Nachdem der Bundestag 1992 die Verlagerung von Bundesinstituten in die neuen Länder beschlossen hat, muß auch das Umweltbundesamt seinen Standort Berlin aufgeben. Für das Jahr 2002/2003 steht der Umweltbehörde ein Umzug zu ihrem neuen Dienstsitz in Dessau bevor.


 
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