© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    38/99 17. September 1999


Finanzen: Der Streit um die Unternehmenssteuer
Privilegien streichen
Bernd-Thomas Ramb

Seit dem klassischen Kampf Davids gegen Goliath gilt die moralische Unterstützung des Kleinen gegenüber dem Großen als hehres Motiv. Der biblischen Tradition kann sich selbst die atheistische PDS nicht entziehen, zumal wenn es um die Gegenüberstellung von volksnahem Kleinbetrieb und großkapitalistischen Unternehmenskoloß geht. So verwundert es nicht, wenn Gregor Gysi im Bundestag klassenkämpferisch Partei ergreift für die steuerzahlenden klein- und mittelständischen Betriebe, die im Rahmen der Unternehmenssteuerreform 2001 stärker belastet würden als die Großbetriebe. In einer bestimmten Sichtweise stimmt diese Behauptung sogar.

Das Kölner Institut für Wirtschaftsforschung kommt in einer Modellrechnung zu dem Ergebnis, daß bei einem Unternehmensgewinn vor Steuern von 100.000 Mark die Steuerbelastung von 15.290 Mark bei geltendem Steuerrecht auf 27.270 Mark steigt, wenn das neue Steuergesetz eingeführt wird. Bei einem Gewinn von 300.000 Mark zeigt sich im selben Vergleich eine marginale Entlastung des Unternehmers um 74 Mark (Steuerlast alt 111.908 Mark, neu 111.834 Mark), bei einem Gewinn von 500.000 beträgt die Steuerentlastung 9.642 Mark (Steuerlast alt 216.932 Mark, neu 207.290 Msark). Unternehmer mit einem Gewinn bis zu 300.000 Mark, so das Ergebnis der Studie, werden durch die Unternehmenssteuerreform benachteiligt. Wenn davon abgesehen wird, daß bei einem Gewinn von 100.000 Mark der Fiskus nur 27 Prozent erhält, während die Steuerlast bei einem Gewinn von 500.000 Mark bei 41 Prozent liegt.

Ursache dieses Sachverhalts und Knackpunkt der geplanten Unternehmenssteuerreform ist der Fortfall des Anrechnungsverfahrens. Beim derzeitigen Steuerrecht werden die vom Unternehmen abgeführten Steuerzahlungen dem Unternehmer oder Anteilseigener bescheinigt, so daß sie ihm in seiner Einkommensteuererklärung als bereits bezahlte Steuern angerechnet werden. Dies entfällt künftig. Jeder Unternehmensgewinn soll demnach mit 25 Prozent versteuert werden, ohne daß diese Steuerzahlungen dem Unternehmensinhaber gutgeschrieben werden. Selbstverständlich wird ihm danach auch nur der um die Steuerabgabe reduzierte Gewinn als Einkommen angerechnet. Aber für einen Unternehmer oder Aktionäre, dessen Steuersatz, grob betrachtet, unter 25 Prozent liegt, ist das ein Verlustgeschäft. Reparabel wäre dieser Konstruktionsfehler durch die Einführung einer Option, Unternehmensgewinne generell als Privateinkommen zu versteuern.

Die allgemeine Kritik an der Unternehmensbesteuerung geht aber noch weiter. Grundsätzlich wird nicht nur unterstellt, daß große Betriebe die Steuerlast eher abwenden können als Kleinbetriebe. Dafür spricht schon die Tatsache, daß Großunternehmen in der Regel Spezialabteilungen unterhalten, die keine andere Aufgabe haben, als den Dschungel der Steuergesetze nach Lücken zu durchforsten, um die Steuerlast abzuwenden. Kleine können sich das selten leisten. Der Vorteil ist jedoch, solange das Anrechnungsverfahren gilt, nur vorübergehend. Unter diesem Steuerregime zahlen letztlich allein die Unternehmensinhaber und Aktionäre und zwar nach ihren Einkommensverhältnissen. Der Kleinaktionär eines Großunternehmens wird geringer besteuert als der Alleininhaber eines florierenden Kleinbetriebes. Erst die Abschaffung dieses Systems bringt die Ungerechtigkeit. Die geplante Reform der Unternehmenssteuer stellt demnach nichts anderes als eine versteckte Steuererhöhung dar, zu Lasten der kleinen Einkommen.

Natürlich wird den Großunternehmen durch die bestehende Steuerregelung ein Vorteil geboten, der letztlich die Möglichkeit eröffnete, die Steuerzahlungen auf später zu verschieben, während die kleinen sofort zur Steuerkasse gebeten werden. Beheben läßt sich dieser Mißstand aber nicht nur durch die Einführung der sofort zahlbaren einheitlichen Unternehmenssteuer von 25 Prozent. Chancengleichheit würde auch der gänzliche Verzicht auf eine Unternehmensbesteuerung bringen. Die Gewinne der Unternehmen lassen sich allein durch die Einkommenserklärungen besteuern. Allerdings würde sich der Zufluß der Steuereinnahmen verzögern, und das scheint ein Hauptmotiv der Steuerreformer zu sein. Pauschalierte Steuersätze und vereinfachte Berechnungsverfahren führen nicht nur zu einem rascheren Zufluß in den Staatssäckel, sie erscheinen auch auf den ersten Blick attraktiv im Rahmen der Dauerdiskussion überschaubarer Steuergesetze. Nichts aber ist überschaubarer als eine Abschaffung dieser Steuern.

Es bleibt die Furcht des Staates vor Steuerausfällen, auch wenn diese kaum begründet ist, da sich die alte Unternehmenssteuer im wesentlichen auf die zusätzliche Einkommensteuer verlagert. Gleichwohl sei auch hier eine Lösung angeboten, die genauso häufig diskutiert, wie sie niemals ernsthaft in Angriff genommen wurde: der Abbau von Subventionen. Allein die Streichung von Privilegien bei der Mineralölsteuer, so haben die Grünen aus den Daten des letzten Subventionsberichts vorbildlich ausgerechnet, würde das Steueraufkommen um 38 Milliarden Mark erhöhen. Dieser Betrag entspricht den gesamten Steuereinnahmen aus der Körperschaftssteuer der Unternehmen im Jahre 1998.


 
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