© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    38/99 17. September 1999


Nordrhein-Westfalen: In vielen Städten liegt die CDU vor der SPD
Rote Bastionen gefallen
Volker Kempf

Das Ergebnis der Kommunalwahlen von Nordrhein-Westfalen liegt voll im Bundestrend. Die SPD erleidet mit 33,9 Prozent der Stimmen gegenüber der Wahl von 1994 Verluste in Höhe von 8,4 Prozent, während die CDU vor Glück kaum weiß, was um sie geschieht. 50,3 Prozent und damit ein Plus von zehn Prozent erzielte sie an Rhein und Ruhr. Die Bündnisgrünen hingegen schwächeln und nehmen von 10,2 Prozent auf 7,3 Prozent der Stimmen ab. Die PDS, die 1994 nicht zur Wahl stand, mischt nun nach dem Wegfall der Fünf-Prozent-Hürde in zahlreichen Großstädten mit. Die Republikaner traten in weniger Kommunen zur Wahl an als noch 1994, erzielten dort aber wegen des Wegfalls der Sperrklausel einige kommunale Mandate. Erfolgreich auch die DVU, wo sie antrat. In Dortmund zieht die Partei des Verlegers Gerhard Frey mit zwei Leuten in den Rat der Stadt ein. Die Kandidaten seien ehemalige Republikaner-Mitglieder, ließ die REP-Landesvorsitzende Uschi Winkelsett auf Anfrage wissen. Die DVU-Leute seien ihr als "Querulanten" gut in Erinnerung und für den Rat von Dortmund sicher keine Bereicherung, so Winkelsett gegenüber der JUNGEN FREIHEIT.

Etwas aus der Rolle fällt die FDP, die entgegen dem Trend landesweit einen halben Prozentpunkt zulegte und auf 4,2 Prozent kam. Auch den Liberalen kam der Wegfall der Sperrklausel zugute. Die anderen Parteien und freien Wählergruppen konnten sich von zwei auf drei Prozent bekrabbeln. Daß für die sonstigen Gruppierungen nicht mehr heraussprang, liegt vor allem daran, daß der Wegfall der Fünf-Prozent-Klausel im Sommer 1999 zu überraschend kam. Das gilt auch für die Republikaner. Sie konzentrierten sich im Wahlkampf auf einige Städte, um die Kräfte nicht in aussichtslose Kandidaten zu investieren. So blieb für die meisten kleineren Gruppierungen nicht mehr ausreichend Zeit, um Listen aufzustellen und einen effektiven Wahlkampf vorzubereiten. Eine der Ausnahmen von der Regel stellte der schon aufgelöste Kreisverband der Ökologisch-Demokratischen Partei (ÖDP) in Solingen dar, der sich durch die verbesserten Erfolgsaussichten sprichwörtlich Hals über Kopf motiviert sah, an der Kommunalwahl teilzunehmen, und mit 1,9 Prozent der Wählerstimmen auch ein Mandat errang.

Die PDS schaffte es, da sie als im Bundestag vertretene Partei keine Unterstützungsunterschriften sammeln mußte, in etwa jeder zweiten kreisfreien Stadt anzutreten. Vor dem Fall der Hürde wollte man sich auf nur sieben Kommunen konzentrieren, war von der Landesgeschäftsstelle zu erfahren.

So erzielten – jeweils ohne Bezirksvertretungen – die PDS 33 Mandate (+33), die Republikaner 17 (+17) und die ÖDP 10 (+8). Insgesamt legten die kleineren Parteien und freien Wählergruppen bei dieser Kommunalwahl im bevölkerungsreichsten Bundesland aber weniger zu, als ihnen zugetraut wurde.

Umbrüche gab es vor allem zwischen CDU und SPD. Die vier größten Städte Nordrhein-Westfalens, Köln, Essen, Dortmund und Düsseldorf, haben am Sonntag durchweg die Farbe gewechselt: aus rot wurde schwarz. Die Stadt mit dem berühmten Kölner Klüngel bescherte der SPD mit 30,3 Prozent einen Erdrutschverlust von zwölf Prozent, während die CDU in gleicher Größenordnung zulegte und 46,2 Prozent erhielt. Die Grünen konnten – wie andernorts auch – nicht von den Verlusten profitieren und nahmen von 10,9 auf 8,1 Prozent ab. Dem Machtwechsel steht in der Domstadt also nichts mehr im Wege.

Ähnlich in Essen, wo die CDU mit 49,4 Prozent (1994: 33,6) nur knapp die absolute Mehrheit verfehlte und mit der FDP, die sich bei knapp drei Prozent hielt (2 Sitze), koalieren kann. Republikaner und PDS gehen in die Opposition.

In Dortmund wiederum, dem "Herz der Sozialdemokratie", wurde die SPD mit 41 Prozent (1994: 51,4) der Wählerstimmen auf den zweiten Platz hinter der CDU mit 41,7 Prozent (1994: 30,4) verwiesen. Beide Parteien erhalten je 34 Sitze. Die SPD wird aber mit einem Bypass der Grünen weiterregieren können. 9,9 Prozent (1994: 12,2) und damit acht Sitze sind den Grünen sicher.

Die bisher rot-grün geführte Landeshauptstadt Düsseldorf wird hingegen in den Farben schwarz-gelb regiert werden. Mit 49,4 Prozent (1994: 39,7) erhielt die CDU fast die absolute Mehrheit und kann mit der FDP (4,3 Prozent, vier Sitze) eine Koalition bilden.

Leichte Zugewinne konnten die SPD im bislang schwarz-grün geführten Rat der 175.000 Einwohner zählenden Stadt Mülheim an der Ruhr erreichen. 42,3 Prozent gegenüber 40,7 Prozent im Jahr 1994 erhielt die SPD. Deutlich unter dem Landesschnitt liegen hingegen die Zuwächse der Union, die 39,3 Prozent gegenüber 37,4 bei der letzten Kommunalwahl erreichte. Die Grünen waren die großen Verlierer, sie rutschten von 14,7 auf sechs Prozent ab, während die FDP von 3,7 auf 6,8 Prozent kletterte. Eine Wählergemeinschaft erreichte 5,5 Prozent der Stimmen. So nützte die ungewöhnliche Koalition vor allem der FDP und schadete den beiden Koalitionsparteien, insbesondere aber den Grünen.

Für eine Skurrilität am Rande sorgte die Stadt Bottrop, in der sich eine rechnerische Mehrheit von CDU (42%), FDP (2,5%) und ÖDP (6,4%) ergab. Das Nachsehen haben die Sozialdemokraten mit 40,2 Prozent (1994: 52,5) und die Grünen mit 4,5 Prozent (1994: 6,8), wobei die Kommunisten von der DKP in ihrer traditionellen Hochburg mit 4,4 Prozent in Fraktionsstärke in den Rat einziehen (1994: 3,8%).

In Duisburg holte die PDS 4,2 Prozent, wo von der SPD enttäuschte Gewerkschafter auf der Liste standen. In Herne hoffen die Republikaner, die sich dort von 2,6 auf 3,7 Prozent verbesserten, noch einen dritten Sitz zu erhalten, da in einem Wahlkreis aufgrund eines Todesfalles nachgewählt werden muß.

Wurden die Bürgermeister in NRW bisher aus der Mitte des Stadtrates gewählt, so konnten die Bürger sie erstmals direkt wählen. Das Amt ist zusätzlich dadurch aufgewertet, daß es nicht nur den Ratsvorsitz, sondern auch die Funktion des Verwaltungschefs in sich vereint. Die Bürgermeisterwahlen sind damit zu Persönlichkeitswahlen geworden. So gelang es in Duisburg Bärbel Zieling (SPD) sich vom Abwärtssog der Partei loszulösen und sich mit 56,1 Prozent der Stimmen auf Anhieb neu wählen zu lassen. Die SPD im Rat rutschte hingegen von 58,5 auf 45,9 Prozent ab. In der Ruhrmetropole Essen setzte sich Wolfgang Reiniger (CDU) im ersten Wahlgang durch, und in Düsseldorf, wo der Sieg der Oberbürgermeisterin Marlies Smeets (SPD) als sicher galt, der CDU-Herausforderer Joachim Erwin in Umfragen bei etwa 20 Prozent lag, gab es eine Überraschung: Erwin erzielte 48,3 Prozent, Smeets nur 45,3. Wie in einigen anderen Städten wird es auch hier in zwei Wochen eine Stichwahlen geben.

Besonderes Augenmerk verdienen die Bewerber in der einstigen SPD-Hochburg Dortmund, wo Volker Geers (CDU) 45,6 Prozent der Stimmen holte, sein SPD-Gegenspieler Gerhardt Langenmeyer hingegen nur 42,2 Prozent. In Köln kommt es zu einer Stichwahl zwischen Anne Lütkes von den Grünen (32,4 Prozent) und Harry Blum von der CDU (48,1 Prozent), während Klaus Heugel (SPD) trotz seines Rückzugs nach der Aktienaffäre noch immer kuriose 15 Prozent auf sich vereinigte.

Kaum auf das Wahlergebnis schlug sich die Herabsetzung des Wahlalters von 18 auf 16 Jahre nieder, da diese Gruppe nur 300.000 potentielle Wähler in dem 17,86 Millionen Einwohner zählenden Bundesland ausmacht. Zudem war die Wahlbeteiligung dieser Gruppe besonders gering, ließen die Demoskopen verlauten. Daß die Jugendlichen vor allem aber zu Rot-Grün tendieren, wie dies zu Zeiten der Wahlrechtsänderung noch üblich war, konnten die Wahlforscher nicht bestätigen.

Am Wahlabend wurde der Einzug der SED-Nachfolgepartei PDS in die meisten Rathäuser wegen ihres fragwürdigen Verhältnisses zur Demokratie bedauert, ihre Siege konnten die Genossen aber vor Ort ungestört feiern. Anders bei den Republikanern. Ihr künftiger Düsseldorfer Ratsvertreter Jürgen Krüger etwa mußte nach Drohungen und Ankündigungen von Gegendemonstranten aus der linksautonomen Szene ins Rathaus eskortiert werden.

Der unbestrittene Wahlsieger war die CDU. Landeschef Jürgen Rüttgers liebäugelte während der "Düsseldorfer Runde" des WDR bereits mit der traditionellen, der Parteilinken zuzurechnenden SPD-Wählerschaft, die am Sonntag zu Hause blieb. Diese Klientel könnte schon zur Landtagswahl im Mai nächsten Jahres für die CDU votieren, hofft Rüttgers. Er will die SPD offensichtlich in die Knie zwingen, indem er sie politisch links überholt.


 
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