© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    38/99 17. September 1999


Umweltpolitik: Hans Kronberger über Energiepolitik und erneuerbare Energien
Krieg ist Kampf um Ressourcen
Helmut Müller

Herr Kronberger, Sie haben mit "Blut für Öl" ein vielbeachtetes Buch geschrieben. Der Titel klingt ein wenig erschreckend.

Kronberger: Wenn man die Situation in der Zeit vom 19. ins 20. Jahrhundert und die aktuelle Krisensituation analysiert, so kommt man darauf, daß die Krisengebiete annähernd identisch sind. Dieses Jahrhundert hat uns nicht nur zwei Weltkriege, sondern unzählige weitere kriegerische Auseinandersetzungen gebracht. In all diesen Konflikten ist es um den Zugriff auf die Ressourcen gegangen, auf die Energieressourcen, aber auch die anderen Rohstoffe. Wir haben eine Krise im Mittleren Osten, im arabischen Bereich, die im Golfkrieg gegipfelt hat. Wir haben ganz brandaktuell Auseinandersetzungen im Kaukasusgebiet, und wir haben Auseinandersetzungen in Afrika, in welchen es um diverse Interessen am Zugang und den Zugriff auf Rohstoffe und Energiereserven geht.

Wie erklären Sie sich, daß Ihre Journalisten-Kollegen darüber nicht wirklich objektiv und auch tieferschürfend berichten?

Kronberger: An und für sich gibt es ausgezeichnete Grundlagenliteratur dazu, Harvard-Studien, die besagen, daß das Öl und jetzt auch das Erdgas die wesentlichen Kriegsgründe dieses Jahrhunderts waren. Daß die Kollegen sich nicht damit befassen, halte ich grundsätzlich für dramatisch! Es ist Ignoranz oder einfach die Übernahme traditioneller Statements. Ich erinnere an den Golfkrieg, da hat es geheißen, es sei ein Befreiungskrieg für Kuweit gewesen, heute sagt jeder, daß es ein Krieg war, der um Erdöl geführt wurde. Ich glaube, daß hier noch sehr viel Aufklärungsarbeit und Denkarbeit geleistet werden muß, um den Kriegsgrund tatsächlich zu erkennen. Ich glaube im großen und ganzen, daß man es sich zu leicht macht, daß man einfach Krieg hinter Ideologien verschanzt. Wir befinden uns in einer Phase der intensiven Verknappung der Ressourcen. Die völlig logische Konsequenz daraus ist, daß sich der Kampf um diese Ressourcen mit der zunehmenden Verknappung verschärft hat und verschärfen wird.

Seit Jahren heißt es, bei Konzernen würden fertige Entwürfe für eine alternative Energiebereitstellung liegen. Warum kommen diese nicht auf den Tisch und warum werden sie nicht endlich verwirklicht?

Kronberger: Grundsätzlich ist der Umstieg auf erneuerbare Energieträger – also Wind, Wasser, Biomasse und Sonnennutzung – technisch überhaupt kein Problem mehr. Es geht ausschließlich um die politischen Rahmenbedingungen, die geschaffen werden müssen. Ein weiterer Punkt ist, daß Politik mit Energie- und Rohstoffbereitstellung engst verbunden ist. Das reicht vom amerikanischen Präsidenten, der von der Erdöllobby kommt, denken wir an George Bush, bis zur heimischen Energieversorgung, wo pensionierte Politiker untergebracht werden. Das ist ein perfektes System, das man nur durch neue, mutige politische Gestaltung durchbrechen und verändern kann.

Sie vertreten die Meinung, daß eine altenative Energieversorgung möglich wäre. Auf welche Energieformen würden Sie bei einem Energiemix am meisten setzen?

Kronberger: Ich habe eine Dokumentation herausgegeben, die heißt "Der sanfte Weg – Österreichs Aufbruch ins Solarzeitalter". Darin wird eindeutig nachgewiesen, daß die Ressourcen in Österreich für den Gesamtenergiebereich inklusive Mobilität ausreichend vorhanden sind, um auf erneuerbare Energieträger umzustellen. Wir nennen alles Sonnenenergie, was vom Sonnensystem betrieben wird, den Wind, das Wasser, die Biomasse und die direkte Sonnennutzung in drei Formen: durch passive Nutzung, durch Wärmebereitstellung und durch Stromerzeugung aus Photovoltaik. Ich halte die letztere Technik für eine der größten, wenn nicht die größte Erfindung der Menschheit. Man kann aus Licht Kraft erzeugen, und alle Prozesse unseres Lebens können wir mit dieser Kraft, die wir aus Licht erzeugen, bewerkstelligen. Wir werden es in Zukunft in der Brennstoffzelle durch Wasserstoffspaltung auch speichern können. Es ist kein tech-nisches Problem und es ist daher unseriös zu behaupten, wir hätten noch auf lange Zeit billige Energie zur Verfügung. Man muß das Problem gesamtheitlich sehen, nicht nur durch ein Ofenrohr, wo man nur einen marginalen Ausschnitt hat. Es gibt im wesentlichen fünf Gründe, warum wir diesen Umstieg schaffen müssen.

Erstens: Aus Umweltgründen. Wir setzen pro Tag soviel Kohlendioxid frei, wie sich vorher in 3.000 Jahren gebunden hat. Hochgerechnet auf ein Jahr, setzen wir soviel frei, wie sich in einer Million Jahre gebunden hat. Das hält auf Dauer die Erdatmosphäre nicht aus.

Zweitens: Erneuerbare Energieträger vor Ort schaffen fünfmal so viele Arbeitsplätze, das sagt sogar die ökologisch konservative EU-Kommission, die sich sehr selten herabläßt, eine ökologische Aussage zu machen. Es widerspricht dem kapitalistischen System, etwas zu dezentralisieren, weil das Hauptmerkmal des Industriezeitalters ja zentrale Produktion ist. Wenn das Geld hier zirkuliert, schaut es nach jedem fünften Wechsel – ob das jetzt zum Bankbeamten, zum Lehrer, zum Gastwirt, zum Zeitschriftenhändler geht – wieder beim Staat vorbei. Darum sage ich, daß alle Mittel, die aus der öffentlichen Hand in erneuerbare Energieträger, also in dezentrale vor Ort umgewandelten Energieträger fließen, keine Subventionen oder Förderungen sind, sondern volkswirtschaftlich sinnvolle Investitionen. Denn es ist ein Unterschied, ob das Geld hier bleibt oder an den Ölscheich oder an die Wall Street abfließt.

Der dritte Punkt ist, daß wir die Ressourcen schonen müssen, die nicht nur uns gehören, sondern auch den nächsten Generationen.

Viertens: Wer sich mit dieser neuen Technologie, die unausweichbar ist, beschäftigt, sie anwendet, einsetzt, sowohl betriebs- als auch volkswirtschaftlich gesehen, wird auch den größten Nutzen daraus ziehen. Es wird ein Exportartikel sein für die Länder, die die-se Technologie erproben! Der Umstieg auf diese dezentralen Energieformen beseitigt den wesentlichen Konfliktgrund, darum endet bekanntlich mein Buch auch in diesem Sinne sehr positiv mit einem Konzept, das heißt: "Friede durch Sonne".

Wir führen zur Zeit Kriege unter dem Tarnmantel, daß es sich hier um religiöse Auseinandersetzungen mit Fundamentalisten in Dagestan handelt, wo die Russen nicht auf Dagestan verzichten können. Wir führen in Afrika, von Zaire bis Algerien, Stellvertreterkriege der diversen Ölinteressen. Wir haben zur Zeit den größten Ölrausch der Weltgeschichte. Diese Begehrlichkeiten müssen wir langsam reduzieren. Das heißt diese Druckkochtöpfe müssen wir langsam entlüften und daran arbeiten, eine Friedensordnung fürs nächste Jahrhundert zu schaffen. Dies geht nur mit dezentraler Versorgung. Selbstverständlich ist, daß wir auf unsere wichtigen Ressourcen, nämlich das Wasser, achtgeben müssen, und daß das auch eine Begehrlichkeit des nächsten Jahrhunderts ist, wobei Wasser vorläufig ja bilateral kriegsfähig ist. Erdöl ist jederzeit weltkriegsfähig.

Österreich kann als kleines Land in außereuropäischen Regionen schwer eingreifen. Im Land selbst können wir einiges machen – dazu haben wir eine grüne Partei. Sind Sie der Meinung, daß diese in Ihrem Sinne tätig ist?

Kronberger: Wir haben zwei Ebenen bei den Grünen, die eine haben wir in Deutschland gesehen: Daß eine grüne Partei, ähnlich wie 1914 die Pazifisten in der Sozialdemokratie, mit fliegenden Fahnen in den nächstmöglichen Krieg gezogen ist. Von Umwelt ist kaum eine Spur. Ich war daher seit Jahren unzufrieden mit grüner ökologischer Politik. Hier geht es um Gesellschaftspolitk, das ist legitim, aber ich halte eine ökologisch konstruktive sinnvolle Politik in einer großen Partei oder relativ großen Partei für wesentlich besser aufgehoben. Selbstverständlich habe ich immer mit der ökologischen Idee sympatisiert – ich sehe sie nur nicht bei den Grünen gut aufgehoben. Ich habe sehr viele Bekannte, auch in diesen Kreisen, die das inzwischen genauso sehen. Ich sehe diese Idee von den grünen gesellschaftspolitischer Anliegen wegen völlig untergeordnet, was sowohl in Österreich als auch in der Bundesrepublik klar ersichtlich ist.

 

Dr. phil. Hans Kronberger gehört der FPÖ an, ist Mitglied des Europäischen Parlaments und als Universitätslektor für Öko-Publizistik an der Universität Salzburg tätig. Verfasser zahlreicher Bücher u.a: Der Sanfte Weg. Österreichs Aufbruch ins Solarzeitalter (zus. mit Hans Nagler), Wien 1997; Blut für Öl. Der Kampf um die Ressourcen, Wien 1998.


 
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