© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    38/99 17. September 1999


Jutta Winkelmann: Das Harem-Experiment. Begegnungen mit Rainer Langhans
Aufzeichnungen voller Widersprüche
Claus-M. Wolfschlag

Rainer Langhans gehört sicher zu den schillerndsten Vertretern der Studentenrevolte von 1968. Der heute 59jährige fungierte als Mitbegründer der berüchtigten "Kommune I", welche die neue Gesellschaftsordnung durch die eigene Lebenspraxis zu erarbeiten versuchte. Spätestens seit seiner Liaison mit dem Fotomodell Uschi Obermaier wurde Langhans der deutsche Vorzeige-Hippie der Hochglanzmagazine.

Seit Mitte der siebziger Jahre zog sich Rainer Langhans in eine kleine Einzimmer-Wohnung in München-Schwabing zurück und begann tiefgehende Beziehungen zu mehreren Frauen zu unterhalten. Diese Struktur der Geschlechterverhältnisse wurde ab 1992 als "Harem" öffentlich gemacht.

Eine der "Harems-Frauen", die Journalistin Jutta Winkelmann, hat nun ein Buch herausgebracht, das teils eine huldigende Biographie Rainer Langhans’, teils eine bisweilen obskur wirkende Beschreibung der Auseinandersetzung im und um den "Harem" darstellt.

Das manchmal etwas verwirrende Werk hätte auch "Buch der Widersprüche" genannt werden können. Hier begegnen einem Bekenntnisse der Frauen zu ihrer "Hörigkeit" und Bewunderung für den spirituellen "Lehrer" Langhans, wie dessen Schilderung seiner Unterwerfung unter das weibliche Prinzip – oder, daß die Frauen mit Bratpfannen nach ihm werfen. Schrille, drastische Eifersuchtsszenarien der Frauen wechseln mit der analytischen Gelassenheit des Mannes, der selber nicht frei von Eifersucht gegenüber den Beziehungen seiner "Harems"-Frauen zu anderen Männern ist.

Die kritische Betrachtung eines dieser außenstehenden Männer zum scheinbar persönlichkeitszerstörenden Sektencharakter der Langhansschen Gemeinschaft kontrastieren mit den Gegenvorwürfen der sich befreit Wähnenden gegen den scheinbar nur eifersüchtigen Kritiker. Die Beschäftigung mit Sexualität scheint mit Langhans’ teils religiös begründeter Sex-Feindlichkeit zu kontrastieren. Die Arbeit an der persönlichen Befreiung schließlich verwundert manchen Betrachter durch Langhans’ teils positive Bezugnahme auf den "Faschismus". Und die Suche nach Liebe und Harmonie wechselt mit der Erkenntnis, daß es nur über die Stufe des Horrors Weiterentwicklungen in der menschlichen Geschichte gäbe.

Der verwirrende Charakter des vorliegenden Dokuments einer Beziehungsbeschreibung erklärt sich wohl aus dem Übergangscharakter unserer Zeit. So ist auch der "Harem" zerrissen zwischen dem avantgardistischen Streben nach dem Kommenden und der Verhaftung in alten Denkkategorien, die noch von Besitzstreben und Eifersucht geprägt sind.

Jutta Winkelmanns Buch "Das Harem-Experiment" bietet somit kein Rezept für das menschliche Miteinander, sondern zeigt nur einen (bisweilen den Betrachter abschreckenden) Weg hin zur neuen Harmonie auf. Es ist das Dokument einer Suche. Andere werden sich ebenso auf die Suche machen und ihren Weg finden.

 

Jutta Winkelmann: Das Harem-Experiment. Begegnungen mit Rainer Langhans, dem letzten APOnauten, Heyne-Verlag, München 1999, 206 Seiten, 14,90 Mark


 
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