© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    39/99 24. September 1999


Sachsen: Der Streit um den Umgang mit der PDS beginnt
König Kurt unangefochten
Paul Leonhard

Dem Sächsischen Landtag droht in der kommenden Legislaturperiode Ungemach. Schuld daran ist das Wählervotum vom vergangenen Sonntag, und an diesem wiederum das Unvermögen der Sozialdemokraten, sich als wählbare Partei zu präsentieren.

Daß die PDS zur zweitstärksten Kraft wurde, bereitet den Christdemokraten trotz ihrer absoluten Mehrheit Bauchschmerzen. Die Dresdner Landtagsverwaltung stellt sich bereits auf einen "heillosen Streit" um die Geschäftsordnung ein. Die bislang üblichen Regelungen werden zur ersten Machtprobe. So will CDU-Ministerpräsident Kurt Biedenkopf voraussichtlich am 13. Oktober das neue Parlament zur konstituierenden Sitzung einberufen, und zwar in seiner Funktion als Alterspräsident. Damit wird die Frage nach dem Prinzip der Gewaltenteilung aufgeworfen.

Gleichzeitig bahnt sich ein Ämterstreit zwischen CDU und PDS an. So kündigte CDU-Generalsekretär Steffen Flath nicht nur eine "harte Gangart" gegenüber den SED-Nachfolgern an, sondern bezeichnete es auch als "fraglich", ob der PDS der Vorsitz im Haushalts- und Finanzausschuß überlassen werden könne. Zugeständnisse, die man vor fünf Jahren der SPD noch eingeräumt habe, werde es gegenüber der SED-Nachfolgepartei nicht geben.

Daß der Vorsitz im wichtigsten Ausschuß der zweitstärksten Oppositionspartei zustehe, sei "ungeschriebenes Gesetz des Parlamentarismus", konterte der Parlamentarische Geschäftsführer der PDS, André Hahn, für den die schwarze Mehrheit eine "bitere Pille" ist. Überdies fordert er für seine Fraktion den Posten des zweiten Landtagsvizepräsidenten. Alles andere sei "undemokratisch" und "rechtlich fragwürdig".

Führungswechsel in der SPD nach Kunckel-Rücktritt

So sehr die Christdemokraten über ihren triumphalen Wahlerfolg von 56,9 Prozent (alle Direktmandate und 76 der 120 Landtagsabgeordneten) jubeln, desto mehr trifft sie der historische Tiefschlag der Sozialdemokraten. Diese büßten gegenüber den Landtagswahlen von 1994 ganze 5,9 Prozent ein und verfügen künftig lediglich über 14 Sitze. Der eigentliche Sieger der Landtagswahlen sind mit 22,2 Prozent der Stimmen (plus 5,7 Prozent) die Linkssozialisten der PDS um ihren aus Wien stammenden Fraktionschef Peter Porsch. Grüne, FDP, Republikaner und NPD scheiterten klar an der Fünf-Prozent-Hürde (siehe nebenstehende Graphik).

Der unglücklich agierende SPD-Landesvorsitzende Karl-Heinz Kunckel zog die Konsequenzen aus der bitteren Niederlage und trat als Parteichef zurück. Den Vorsitz der Sachsen-SPD führt nun bis zum Parteitag die Europaabgeordnete Constanze Krehl, die aber auch nicht über das Charisma verfügt, das Kunckel fehlte.

Wenn die politischen Programme austauschbar seien, setze der Wähler nun mal auf die Ausstrahlung der Kandidaten, bemerkte der Leipziger Schriftsteller Erich Loest am Wahlabend. Gregor Gysi sei halt ein wirkungsvollerer Mann als Kunckel. Überdies war der 55jährige vor allem von jenen Kreisen in der SPD abgelehnt worden, die auf eine Annäherung an die PDS setzen und Kunckel einen Schmusekurs gegenüber Biedenkopf vorwarfen. "Wir sind nie hart mit der SPD umgegangen", räumte CDU-Landes- und Fraktionschef Fritz Hähle am Montagabend ein. Folgerichtig hofft die PDS nun auf neue Leute an der Spitze der SPD, die einer Zusammenarbeit aufgeschlossen gegenüberstehen.

Er übernehme die Verantwortung für Dinge, an denen er zum Großteil nicht die Schuld trage, sagte Kunckel zu seinem Rücktritt. Ganz aufgeben will er allerdings noch nicht. Er stehe als Fraktionsvorsitzender weiterhin zur Verfügung, wenn die Fraktion das wünsche, ließ er verlauten. Wie die Entscheidung letztlich ausfällt, wird auch für die Zukunft der SPD in Sachsen von entscheidender Bedeutung sein.

"Daß die SPD so abschneidet, freut mich nicht", kommentierte Ex-Innenminister Heinz Eggert, der in seinem Wahlkreis 65 Prozent der Stimmen holte, den Ausgang der Landtagsahl. Das habe Kunckel nicht verdient, zeigte auch Biedenkopf Mitgefühl. Selbst PDS-Landeschef Peter Porsch ist die hohe SPD-Niederlage nicht geheuer. Auf Dauer sei das nicht normal, sagte er. Die PDS könne kein Ersatz für die Sozialdemokratie sein. Normalität in Deutschland wäre die Existenz beider Parteien. Das Wahlergebnis für die PDS führte er darauf zurück, alles mobilisiert zu haben, "was zu mobilisieren war".

Trotzdem bahnt sich auch in der PDS ein Richtungsstreit an. Mehrere Landtagsabgeordnete um den früheren Liedermacher Bernd Rump, der Mitglied des PDS-Bundesvorstandes ist, kritisierten in einer Streitschrift die Arbeit der Fraktion.

Grüne, Liberale und Rechte scheiterten an Sperrklausel

In die Bedeutungslosigkeit gesunken sind Bündnisgrüne und Freidemokraten. "Biedenkopf hat alles platt gemacht", kommentierte FDP-Generalsekretär Guido Westerwelle den Wahlausgang in Sachsen. Verschnupft trat der FDP-Landeschef Rainer Ortleb vor laufenden Kameras und ohne Rücksprache mit seinen Parteifreunden von seinem Amt zurück. Klaus Haupt, der jetzt die undankbare Rolle des amtierenden Parteivorsitzenden übernehmen muß, erfuhr von Ortlebs Schritt aus dem Fernsehen. Auch wenn die Liberalen gerade einmal 1,1 Prozent der Wählerstimmen erhielten, lobte Haupt den "tapferen und engagierten" Wahlkampf. Immerhin sei es gelungen, in allen 60 Wahlkreisen Direktkandidaten aufzustellen.

Davon konnten die Bündnisgrünen nur träumen. Allein mit ihrer Bundesprecherin und Spitzenkandidatin Gunda Röstel in der Funktion als "Mittelstürmerin" waren die Herzen der Sachsen nicht zu gewinnen. Daß die Grünen in vielen Wahlkreisen keinen Direktkandidaten aufgestellt haben, sei ein schwerwiegender Fehler gewesen, glaubt man bei der PDS. Politik lasse sich besser verkaufen, wenn sie ein Gesicht bekommt und nicht nur abstrakt von Plakaten leuchet.

Das hatte allein das Grüne Jugendbündnis begriffen, das nicht nur einen weitgehend von der Mutterpartei unabhängigen Wahlkampf führte, sondern mit dem 21jährigen Markus Zech aus Wurzen einen jungen Mann ins Rennen schickte, der sich für den Wahlkampf auf Postkarten sogar auszog.

Ausdrücklich lobte Gunda Röstel am Wahlabend den "sehr engagierten Jugendwahlkampf". Schuld an der Wahlniederlage trägt für sie vor allem die Bundespartei, die es versäumt habe, den Menschen "zu vermitteln, was wir tun". Die Partei stehe im Osten mit dem Rücken an der Wand, weil niemand mehr wisse, warum er die Grünen wählen sollte, erklärte Röstel.

Die Liberalen werden demnächst eine neue Führungsriege wählen. Während Haupt von der "Graswurzelarbeit vor Ort" sprach und auf die kommunale Verankerung der Partei setzen will, denken andere Mitstreiter über die Gründung einer neuen Partei nach. Die Grünen wiederum wollen ihre verhältnismäßig starke Position in Städten wie Dresden ausbauen, wo ihre Direktkandidaten Stimmanteile zwischen 6,8 und 7,5 Prozent erreichten. Keine Chancen hatten Republikaner (1,5 Prozent) und NPD (1,4 Prozent), die beide den Einzug in den Landtag verfehlten. "Aufgrund der großen Anstrengungen im Wahlkampf haben wir uns ein besseres Ergebnis erwartet", räumte REP-Bundesgeschäftsführer Gerhard Tempel auf Anfrage der JUNGEN FREIHEIT ein. Geschadet habe den Republikanern das Abschneiden der Pro DM-Partei. Der Anteil der Erststimmen für die Direktkandidaten, der zum Teil höhe läge, sei jedoch ermutigend. "Berlin ist der Prüfstein", sagte Tempel. Von der NPD war keine Stellungnahme zu erhalten.

Die Partei Pro DM von Bolko Hoffmann, der sich mit der Idee eines "Sachsen-Fonds" für das Amt des Wirtschaftsministers empfahl, schaffte aus dem Stand immerhin 2,1 Prozent und wurde damit viertstärkste Partei im Freistaat.


 
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