© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    39/99 24. September 1999


Parteien: Bundesparteitag der Ökologisch-Demokratischen Partei im Logenhaus in Berlin-Wilmersdorf
Mit Filzpantoffeln gegen Filz und Korruption
Gerhard Quast

Daß kommunale Wahlen, insbesondere außerhalb von Bayern, gewonnen werden können, ist für die "werteorientierte" Ökologisch-Demokratische Partei (ÖDP) fast schon eine neue Erkenntnis. Bisher sah es so aus, als sei die Partei imstande, ihre Ergebnisse von Wahl zu Wahl zu unterbieten: Erst büßte die sich im Aufbruch glaubende Ökopartei in ihrem Stammland Bayern – landauf landab sitzt die ÖDP dort in den Stadt- und Gemeinderäten – trotz erfolgversprechender Umfragen mit mageren 1,8 Prozent (1994: 2,1 %) sogar Stimmen ein, dann blieb sie bei der Bundestagswahl mit 0,2 Prozent (1994: 0,4 %) unter ferner liefen, und schließlich kam die finanzschwache ÖDP bei der Europawahl mit 0,2 Prozent (1994: 0,4 %) nicht einmal in den Genuß der Wahlkampfkostenrückerstattung. Bei den Kommunalwahlen in Nordrhein-Westfalen vor knapp drei Wochen dann die Überraschung: Nachdem dank der ÖDP die Fünf-Prozent-Hürde auf kommunaler Ebene durch gerichtliche Schritte zu Fall gebracht wurde, faßten die nordrhein-westfälischen Mitglieder in einigen Kommunen wieder neuen Mut und stellten sich dem Wähler. Der schon in Auflösung befindliche Kreisverband in Solingen erreichte mit 1,9 Prozent ein Mandat, die Ökodemokraten in Bottrop fuhren auf Anhieb 6,4 Prozent (4 Mandate) ein und wurden nicht nur dritte Kraft noch vor den Grünen, sondern haben zusammen mit CDU und FDP auch eine rechnerische Mehrheit im Rathaus der 121.000-Einwohner-Stadt.

Entsprechend gewürdigt sah sich die NRW-"Hochburg" beim 25. Parteitag am vergangenen Wochenende im Logenhaus in Berlin-Wilmersdorf: Für ihren kommunalen Kampf "gegen Korruption und Filz" erhielten die Bottroper den Goldenen Filzpantoffel verliehen. Überhaupt scheint die kleine, vor zwei Jahrzehnten aus den Grünen hervorgegangene Partei mit der Thematik "Kampf gegen Korruption in Politik und Wirtschaft" ein neues Arbeitsfeld gefunden zu haben, mit dem Wahlen anscheinend wieder zu gewinnen sind. Das unterstrich die alte und neue ÖDP-Bundesvorsitzende Susanne Bachmaier auch in ihrer Eröffnungsrede vor den rund 200 Delegierten. Und noch einen Schluß lasse die NRW-Wahl ihrer Ansicht nach zu: Erfolge sind für die 6.839 Mitglieder starke Partei derzeit nur auf kommunaler Ebene zu erzielen, wie auch die Zahl von inzwischen rund 320 kommunalen Mandaten deutlich mache, und deshalb werde möglicherweise künftig von einer Teilnahme an Landtagswahlen vermehrt abgesehen, so die nur knapp bestätigte Vorsitzende (siehe "Parteien, Verbände, Personen") gegenüber der JUNGEN FREIHEIT. Die Kräfte müßten jetzt verstärkt dort konzentriert werden, wo Erfolge denkbar sind, so Bachmaier.

Chancen für die ÖDP sieht sie vor allem im bürgerlichen Lager, bei Wählern mit christlichem Hintergrund und bei Umweltschützern, denen die Bündnisgrünen zu links sind. Vorbei scheinen damit Annäherungsversuche an die Grünen, wie sie in den neunziger Jahren immer wieder stattgefunden haben. Statt dessen sucht die ÖDP nun den Kontakt zu anderen kleinen Gruppierungen, etwa der Statt-, der Familien- und der Tierschutzpartei. Zwar hält sie ein Zusammengehen mit der einen oder anderen auch mittelfristig nicht für denkbar, Möglichkeiten der Zusammenarbeit gäbe es aufgrund der Teilübereinstimmungen aber genug.


 
Versenden
  Ausdrucken Probeabo bestellen