© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    39/99 24. September 1999


CD: Georg Danzer
Reifeprüfung
Holger Stürenburg

Nachdem der Wiener Songpoet Georg Danzer im vergangenen Jahr gemeinsam mit seinen Kollegen Reinhard Fendrich umd Wolfgang Ambros als "Austria 3" ein fulminantes Comeback gefeiert hat, ist es nun Zeit für ein neues Solo-Album des österreichischen Liederschreibers, der als Solist in den letzten Jahren in Deutschland kaum Erfolge hat einfahren können. Danzers letztes Soloalbum "Sex im Internet" (1997) wurde hierzulande so gut wie nicht beachtet, selbst in seiner österreichischen Heimat tauchte das Album nie in den Ö3-Top 40 auf. "Sex im Internet" beinhaltete textlich und musikalisch eine deutliche Anbiederung an den Zeitgeist, und einen Techno-Danzer mit flippigen Texten mochte zu Recht niemand hören.

"Atemzüge", so der Titel des bei BMG-Ariola erschienenen neuen Opus, ist da von ganz anderem Kaliber. Von den 13 neuen Liedern sind über die Hälfte als autobiographisch zu verstehen, nur in einem Lied wird es ein bißchen zu sehr politisch korrekt. Danzers aktuelle Balladen beschreiben zum Beispiel die Gefühle eines einst erfolgreichen Menschen, der nach Jahren eingestehen muß "Lang is’ her", oder sie setzen sich mit Danzers intensivem Verhältnis zu seinem Vater auseinander, der 1985 Selbstmord begangen hat ("I muaß denken an mein Vatern"). Er singt eine Ode auf seine Gattin ("Des is mei Frau") und widmet das Lied "Blende mich aus in die Nacht" seinen Kindern aus erster Ehe, die beide schon fast erwachsen sind.

Wer den nachdenklichen, philosophischen Danzer mag, wird mit diesen Liedern mehr als nur zufriedengestellt. Schade ist jedoch, daß nur ein einziges Lied den alten Zeitgeistbetrachter Danzer zeigt: "Suche nette Partnerin zum B..." karikiert jene Spezies von Menschen, die von einer Betroffenheits-Talkshow zur anderen ziehen, dort ein ums andere Mal die Hosen runter lassen, so daß sie einem wirklich nicht mehr leid tun können. Zu fetten Hip Hop-Klängen rappt sich Danzer hier augenzwinkernd durch Zeit und Geist und schafft den einzigen wirklich witzigen Song des Albums. Die "Causa Omofuma", die im Frühjahr diesen Jahres durch Österreich wehte – der Asylbewerber Marcus O. wurde bei seiner Abschiebung von Sicherheitsbeamten der Mund zugeklebt, woran er erstickte – läßt Danzer kurzzeitig zu einem politisch korrekten Betroffenheitsapostel werden; dieses Lied zählt zu den schwächeren des Albums. Ansonsten zeigt sich Georg Danzer mit 53 Jahren als nachdenklicher, abgeklärter Liederschreiber, der musikalisch nur noch selten in Rock und Pop nach Inspiration sucht, sondern hauptsächlich einfühlsame Balladen zu seinen durchaus auch lesenswerten Texten komponiert: Basierend auf akustischen Folkgitarren, sanften Keyboards und kaum vorhandenem Rhythmus.

Alles in allem ist "Atemzüge" ein ausgereiftes, sehr persönliches und eindringliches Werk eines reifen Menschen, der es nicht mehr nötig hat, nach musikalischen Trends zu schauen, sondern – nach mittlerweile 32 eigenen Schallplatten – nur noch dem frönt, was er sich selbst und seinem Publikum sagen möchte.

Untermalt wird die Veröffentlichung von "Atemzüge" mit einer 14tägigen Tournee durch Österreich und Süddeutschland, der ersten größeren seit 1993. Daß jedoch Aschaffenburg der nördlichste Punkt dieser Konzertreise ist, zeigt, daß Danzer jetzt und in Zukunft wohl ausschließlich ein süddeutsches bzw. österreichisches Thema bleiben wird. Im Norden Deutschlands ist er kaum noch bekannt.


 
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