© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    41/99 08. Oktober 1999


Österreich: FPÖ-Chef Jörg Haider ist der strahlende Sieger der Nationalratswahlen in Österreich
Die Donau ist blau, so Haider-Blau, ...
Martin Pfeiffer

In Österreich scheint sich eine Morgenröte ganz besonderer Art anzukündigen. Jörg Haider hat es offenbar geschafft, die ÖVP vom zweiten Platz der Beliebtheit bei der Bevölkerung der Alpenrepublik zu verdrängen und ganz Europa gibt sich geschockt. Der CDU-Politiker Michel Friedmann warnt ausdrücklich vor den Gefahren des neunen Rassismus und Antisemitismus, den es zu verhindern gelte und nach Meinung des israelischen Staatspräsidenten Weizman müssten die Juden die Ostmark jetzt wohl besser verlassen. Nüchterner sind da schon die Analysen im Wiener Presseclub Concordia, von sachkompetenter Seite.

Bereits am Montagmorgen lud Concordia in Wien zu einer ersten Analyse der Nationalratswahl 1999 ein. Hierbei zeigten Fritz Plasser von Universität Innsbruck, Peter Ulram und Franz Sommer Wahlverhalten und Entscheidungsmotive auf. Aufgrund der noch offenen Frage des zweiten Platzes wegen der ausstehenden 200.000 Wahlkarten war das Interesse groß, wem die Wahlforscher die "besseren Karten" geben.

Franz Sommer hielt es für eher unwahrscheinlich, daß die ÖVP noch Platz zwei erreicht. Hingegen sei es wohl sicher, daß die Grünen einen Sitz hinzugewinnen würden. Bemerkenswert sei die Tatsache, daß die Entscheidung bei den ÖVP-Wählern sehr spät gefallen sei. Dadurch habe auch die Änderung der Wahlkampfstrategie der ÖVP nach den Vorarlberger Landtagswahlen Wirkung gezeigt. Die Ankündigung von ÖVP-Obmann Schüssel, bei einem Abrutschen auf den dritten Platz in die Opposition zu gehen, und die direkte Konfrontation mit der FPÖ hätten der ÖVP die entscheidenden Stimmen gebracht, um de facto einen Gleichstand mit den Freiheitlichen herbeizuführen. Die Motive für die Wahl der drei großen Parteien wurden wie folgt angegeben: Während die zentralen Beweggründe der persönlichen Wahlentscheidung für die ÖVP in der Interessenvertretung und Tradition bzw. Wirtschaftskompetenz und Verhinderung instabiler Verhältnisse lagen, war das Motiv, FPÖ zu wählen, die Aufdeckung von Mißständen und Skandalen sowie der Wunsch nach frischem Wind und Veränderung.

Das Thema "Ausländer" war hingegen eher von untergeordneter Bedeutung. Dieses spielte nur bei Rentnerinnen und Arbeitern eine größere Rolle. Auch waren die Persönlichkeit Jörg Haiders und Denkzettelmotive gegen die beiden Koalitionsparteien vergleichsweise nachrangig.

Die Masse der SPÖ-Wähler begründete ihre Entscheidung für die Sozialdemokratische Partei mit der Sicherung der politischen und sozialen Stabilität durch die SPÖ bzw. mit Motiven der Interessenvertretung und Tradition. Im Wahlverhalten gibt es auffallende geschlechtsspezifische Unterschiede: Unter den männlichen Wählern ist die FPÖ zur stärksten Partei geworden, hingegen liegt sie bei den Frauen lediglich auf Platz drei.

Besonders ausgeprägt ist der Vorsprung der FPÖ unter der Gruppe der nichtbeschäftigten Männer, die die FPÖ zu 34 Prozent wählten. Die SPÖ verfügt nur noch bei den Pensionisten über einen eindeutigen Vorsprung, der jedoch auch stark geschrumpft ist im Vergleich zu vor 20 Jahren.

Bei den unter 30jährigen wurde die FPÖ mit einem Anteil von 35 Prozent die mit Abstand stärkste Partei. Bei der Altersgruppe der 30- bis 44jährigen führt die SPÖ nur noch knapp vor den Freiheitlichen.

Als spektakulär kann die wahlpolitische Neuorientierung der österreichischen Arbeiterschaft bezeichnet werden. 48 Prozent der Vor- und Facharbeiter wählten "blau", nur 31Prozent "rot". Selbst bei an- und ungelernten Arbeitern ist die FPÖ mit einem Anteil von 45Prozent Spitze. Daher kann die FPÖ als die neue Arbeiterpartei bezeichnet werden.

Die Referenten, daß die Wahl 1999 für Wien wie für das Umland eine einschneidende Zäsur gewesen sei und eine Transformation des österreichischen Parteiensystems gebracht habe. Hierbei sei besonders auffallend:

1. die dramatischen Verluste der SPÖ,

2. die wahlpolitische Pattstellung zwischen FPÖ und ÖVP,

3. die spektakuläre Neuordnung in der Arbeiterwählerschaft und auch die Neuorientierung im Wahlverhalten der jungen Generation,

4. der deutliche Rückgang der Wahlbeteiligung und die

5. flukturierende Stimmungslage, beeinflußt durch Massenmedien, sowie

6. die mögliche Unregierbarkeit des alpenstaates.

Damit sei das Votum für eine Veränderung unübersehbar, und es scheint manchen nicht besonders deutlich zu sein, ob das Alpenglühen nun vom Auf- oder Untergagn der Sonne herrührt, - will sagen: die FPÖ hat durchaus die Chance, auch künftig zu gewinnen und größeren Einfluß auf die Politikgestaltung an der Donau zu gewinnen, was sicherlich eine Veräderung bringt. Ob Haider Kanzler wird oder nicht!


 
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