© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    41/99 08. Oktober 1999


Jubiläum: Vor 50 Jahren wurde in Stuttgart der Bund der Steuerzahler gegründet
"Wer zahlt, will Sparsamkeit"
Gernot Göbel

Die große Zeit der Bürgerinitiativen sei infolge der 68er-Bewegung in den siebziger Jahren gekommen, so erfährt es heute der staunende Schüler im Gemeinschaftskunde-Unterricht. Mitverantwortung und Mitsprache, so heißt es, seien Errungenschaften emanzipatorischer Gruppen, wie zum Beispiel der Anti-AKW-Bewegung. Derweil feiert die Urmutter der überparteilichen Bürgerverbände dieser Tage ihr 50jähriges Bestehen. Der Bund der Steuerzahler (BdSt), am 9. Oktober 1949 in einem Stuttgarter Vorort gegründet, entwickelte sich in den letzten 50 Jahren zum unverzichtbaren Wächter der bundesrepublikanischen Finanzpolitik. Wenn der BdSt das hält, was er verspricht, dann zählt er zu den noch wenigen vernünftigen Organisationen des neuen Deutschland, schrieb die Düsseldorfer Rheinische Post vor 50 Jahren. Heute ist der BdSt in allen Bundesländern vertreten und überwacht mit Argus-Augen und ohne parteipolitische Brille die jeweiligen Verantwortlichen, deren Hang zur Verschwendung jedes Jahr im Herbst durch das "Schwarzbuch" dokumentiert wird. Egal, ob es sich um unnötige Parkhäuser, korrupte Beamte oder staatliches Mißmanagement handelt, der BdSt drückt seinen Finger tief in die Wunden. Gäbe es den Steuerzahlerbund nicht, müßte er sofort gegründet werden, urteilte die Frankfurt Allgemeine Zeitung 1998.

Während die offiziellen bundesdeutschen Stellen damals eher skeptisch bis ablehnend dem neugegründeten Verband gegenüberstanden, bot die US-amerikanische Besatzungsmacht sogar finanzielle Unterstützung an, was der Steuerzahlerverein allerdings entschieden ablehnte. In den Gründungsjahren waren noch die autoritären Verwaltungsgepflogenheiten alter Tradition eines der Haupthemmnisse des jungen Verbandes. Man ließ sich ungern oder gar nicht in die Karten schauen. Es dauerte zehn Jahre, ehe sich die Bereitschaft durchsetzte, Haushaltspläne zur allgemeinen Einsicht preiszugeben. So wurde auch auf Drängen des BdSt in den Anfangsjahren der Aufdruck auf diversen Briefen "Anfragen Zwecklos" abgeschafft.

Der BdSt versteht sich nicht als Steuer-Widerstandsverein, sondern als aufmerksamer Bürgerbund, der produktiv eigene Vorschläge für Steuersenkung einbringt und nicht selten die Arbeit der staatlichen Rechnungshöfe unterstützt.

Wie jede Art von Widerstand oder Revoluzzertum hat auch der Steuerwiderstand in Deutschland keine allzu große Tradition. Natürlich gibt es auch dort Ausnahmen wie zum Beispiel den Winzersturm auf das Finanzamt Bernkastel 1926, der zur Abschaffung der Reichsweinsteuer führte, oder die Bauernbewegung von 1931, die sich unter der "Schwarzen Fahne" sammelte.

Im Ausland sind neben den staatsloyalen Verbänden aufrührerische, fast anarchistische Vereinigungen oder individuelle Initiativen nicht selten. So rief in den siebziger Jahren die rechtskonservative US-amerikanische Vereinigung "John Birch Society" eine Initiative ins Leben, die sich "Tax Reform Immediately" (TRIM) nannte, also "Steuerreform sofort!". Ihre Methoden sind etwas gewohnheitsbedürftig und ab und an an den Grenzen des guten Geschmacks, dafür aber medienwirksam. TRIM setzt die amerikanischen Abgeordneten unter Druck, indem sie ihr Abstimmungsverhalten bei einigen Gesetzesvorlagen bloßstellt. Weiter betrachtet sie Politiker, die das Steuergeld verwalten und ausgeben, als "Drogenabhängige" aufgrund ihrer "Ausgabesucht". Folgerichtig empfiehlt sie ihnen eine "Entziehungskur", um die Politiker richtig zu therapieren.

Steuerzahlerverbände gibt es in ganz Europa, teilweise mit langer Tradition bis ins vorige Jahrhundert. In Schweden die "Skattebetalarnas Freming", in Dänemark die "Dansk Skatteborgerforening", in Norwegen die "Norsk Skattebetalarfrening", in Finnland der "Skattebetalarnas Centralförbund", sie alle sind nach schwedischem Vorbild organisiert. In Luxemburg existiert eine "Liga zum Schutz des Steuerzahlers", in Österreich der "Schutzbund österreichischer Steuerzahler", und in Großbritannien kümmert sich die "Income Taxpayers Society" um die Belange der Steuerzahler.

Interessant ist auch die japanische Variante des Steuerzahlerverbandes, die im Kriegsjahr 1944 gegründete "Patriotic Tax Payment Association". Im Namen wurde bereits das patriotisch-staatsbejahende Engagement der Mitglieder betont. Beim Aufbau der Nachkriegsorganisation, der "Tax Payment Association", stand dann der deutsche BdSt Pate.

Selbst eine Art "Internationale" der Steuerzahler gibt es, die "European Taxpayers Association". Der Rahmen für gemeinsame Aktionen war allerdings bis jetzt sehr eng gesteckt, da die Probleme und Interessen in den verschiedenen Ländern zu unterschiedlich waren, um gemeinsame Aktionen zu machen.

Der deutsche Verband zeichnet sich nicht zuletzt durch seine unerbittliche Aufklärungsarbeit aus, und durch die Tatsache, ohne politische Scheuklappen zu handeln. Eine seiner populärsten Veranstaltungen ist die jährliche Verkündung des "Steuerzahlergedenktages". Dies ist der Tag, ab dem der Steuerzahler nicht mehr für den Staat, sondern für sich arbeitet. Dem zugrunde liegt eine Modellrechnung, die ermittelt, wie hoch die Steuer- und Sozialabgabenquote bezogen auf das Bruttosozialprodukt ist. Das Ergebnis wird dann auf die Jahrestage umgelegt. Weiter tickt bei sämtlichen Veranstaltungen die unerbittliche "Schuldenuhr", die auch auf der Internet-Präsenz des BdSt zu finden ist ( www.steuerzahler.de   ).

Der jährliche Höhepunkt der Aktivitäten des BdSt ist aber wohl die "Schwarzbuch"-Veröffentlichung, eine Sammlung spektakulärer Fälle von Steuerverschwendung von Bund, Länder und Kommunen. Dort wurde dieses Jahr die bundesweite Steuerverschwendung auf 60 Milliarden Mark geschätzt, also doppelt soviel wie das vieldiskutierte "Sparpaket" des Finanzministers Eichel.

Mit seinen 425.000 Mitgliedern wurde der Verband vom kleinen Idealistenbund der frühen Jahre zu einem einflußreichen Mammutverein, vor dessen Veröffentlichungen die staatlichen Autoritäten nicht grundlos zittern. Denn der BdSt konzentriert sich nicht etwa ausschließlich auf die Öffentlichmachung, sondern stellt bei besonders dreister Steuerverschwendung auch Strafanzeige.

Die Arbeit des BdSt ist so krisensicher wie die eines Totengräbers – Themen und Fälle gehen niemals aus, werden nicht einmal weniger. Mit der europäischen Einigung wird die Verschwendung und Anmaßung höchstwahrscheinlich nochmals in die Höhe schnellen.

Zu guter letzt hilft allemal der Trost, daß es Steuerunmut schon immer gab, wie auch Hoffmann von Fallersleben im letzten Jahrhundert dichtete: "Oh sage mir, wie heißt das Tier, das vieles kann vertragen, das wohl den größten Rachen hat und auch den größten Magen. Es heißt Haifisch auf dem Meer und Fiskus auf dem Lande."


 
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