© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    42/99 15. Oktober 1999


Parteien: FPÖ-Spitzenpolitiker Peter Sichrovsky über die Angriffe auf die Freiheitliche Partei
"Israels Reaktion ist eine Frechheit"
Dieter Stein

Herr Sichrovsky, Sie reagieren außerordentlich empfindlich, wenn man jüdische Österreicher oder jüdische Deutsche auf Sonderrollen festnageln will. Ist das richtig?

Sichrovsky: Es gibt eine absurde politische Erwartungshaltung gegenüber Juden in Deutschland und Österreich, vor allem von seiten der Linken. Ein Jude, der politisch rechts oder konservativ steht, ist, für sie ein Oxymoron, weil in ihrer beschränkten Phantasie "rechts" immer noch mit Hitler und Holocaust gleichzusetzen ist, während sie als Linke mit Empörung auf eine Gleichsetzung ihrer Ideologie mit Stalin oder dem Kommunismus reagieren würden. Diese politisch Korrekten glauben, weil sie heute einem Juden erlauben, auf einer Parkbank zu sitzen, können sie ihm auch vorschreiben, für welche politische Partei er sich entscheidet.

Sie scheinen das von Medien gerne produzierte Vorurteil "jüdische Identität gleich linke politische Haltung" geradezu lustvoll durchbrechen zu wollen, indem Sie sich für ein Engagement gerade bei Jörg Haiders als "rechts" verschriene Freiheitlichen engagierten. Oder steht Ihr Engagement damit in überhaupt keinem Zusammenhang?

Sichrovsky: Nein, ich habe mich für die FPÖ wegen des politischen Programmes dieser Partei entschieden. Ich mache immer noch einen Unterschied zwischen meiner Religion und meiner politischen Überzeugung. Wer das verwechselt oder vermengt, ist weder religiös noch politisch, sondern nur mehr populistisch und je nach Bedürfnis verfügbar. Heute, mehr als 50 Jahre nach dem Ende des Krieges wird doch wohl auch ein Jude in Deutschland oder Österreich seine politischen Entscheidungen treffen dürfen.

In einem aktuellen Interview kritisieren Sie den Schlag des "Berufsjuden", der sich als "Tugendbold" aufspielt und dem von Nichtjuden aufgrund "chronisch schlechten Gewissens" zu viel Aufmerksamkeit gewidmet wird. Nervt es Sie, stets als "Jude" in bezug auf die FPÖ und Jörg Haider interviewt zu werden – wir tun es ja auch gerade – oder steht Ihr Engagement bei den Freiheitlichen auch im Rahmen eines von Ihnen vertretenen Normalisierungsprozesses des Verhältnisses zwischen Nichtjuden und Juden?

Sichrovsky: Ich bin kein Bubis und kämpfe auch nicht für eine Normalisierung der Beziehung zwischen Juden und Nichtjuden. Das muß jeder für sich tun, das kann ihm keiner der Funktionäre abnehmen, die dann als "Professionelle Juden" die tragische Geschichte der Juden für ihre Eitelkeiten benutzen. Trotzdem muß ich auch akzeptieren, daß jeder meiner Schritt auch von meiner religiösen Herkunft her beurteilt wird. Das ist nun mal so, ob ich das nun will oder nicht. Da kann auch ich nicht der Geschichte ausweichen. Aber es ist immer noch ein Unterschied, ob ich meine Herkunft in einer Gesellschaft akzeptiere oder ob ich sie nur benutze.

Spricht Bitterkeit aus Ihrem Satz, wenn Sie sagen: "Die Vertreter der deutschen und österreichischen Juden üben ihren Einfluß nicht aufgrund der Zahl der Menschen aus, die sie vertreten, sondern allein aufgrund ihrer Alibifunktion als ’Juden’"?

Sichrovsky: Ja, mich ärgert das. Wenn es hier angeblich um die Normalisierung geht, dann dürfen jüdische Funktionäre auch nicht das schlechte Gewissen der Täter-Nachkommen dazu benutzen, eine Öffentlichkeit zu bekommen, die ihnen nicht zusteht und der sie auch nicht gewachsen sind. Das ist alles Schall und Rauch, und es steckt nichts dahinter. Was übrig bleibt, ist eine Schein-Existentz, die zurückschlägt, wie man auch an den kritischen Veröffentlichungen gegen Bubis sieht, die jetzt plötzlich erscheinen. Jüdische Funktionäre sollten die Mitglieder ihrer Organisationen vertreten und nicht immer sich selbst.

Der israelische Staat hat durch den Staatspräsidenten und den Außenminister scharfe Angriffe auf Österreich unternommen, indirekt zum Verbot der FPÖ aufgerufen und die jüdischen Österreicher zum Auswandern aufgefordert. Findet eine Woche nach den Wahlen ein Umdenken statt, revidieren die israelischen Stellen ihre überzogene Position?

Sichrovsky: Das ist keine überzogene Reaktion, sondern eine Frechheit. Dazu fällt mir nur noch Kreisky ein, der einmal über einen besonders aggressiven Kritiker sagte: Wenn er’s braucht! Hier wird ein großer Teil einer Bevölkerung eines demokratischen Landes mitten in Europa mit Massenmördern verglichen, was soll ich dazu noch sagen, es gibt kein Argument gegen die Dummheit.

Erwarten Sie für die Zukunft ein Nachlassen der unsachlichen Vorwürfe gegen Ihre Partei oder werden sie sogar noch zunehmen?

Sichrovsky: Es wird nicht von alleine nachlassen. Wir müssen eine aktive Außenpolitik betreiben, hinaus gehen und mit den Menschen sprechen. Ich habe auch die Absicht, demnächst nach Israel zu fahren.

Glauben oder hoffen Sie sogar, daß von den österreichischen Freiheitlichen auch Impulse auf Deutschland und das deutsche Parteiensystem ausgehen? Mit Ausnahme der CSU verdammen Unionspolitiker Haider und distanzieren sich von den positiven Äußerungen Edmund Stoibers.

Sichrovsky: Die FPÖ ist ein österreichisches Phänomen, ich glaube nicht, daß sich dieses Konzept übertragen läßt. Höchstens durch die FDP, wenn sie einen ebenso harten Kurs gegen die beiden Groß-Parteien entwickelt. Aber die wartet lieber brav und ruhig bis sie jemand zu sich ins Bett bittet.

Wie sehen Sie die Zukunft der FPÖ, falls es erneut zu einer SPÖ-ÖVP-Koalition kommt? Stehen wir in Kürze vor Neuwahlen? Werden die Freiheitlichen bald stärkste österreichische Partei?

Sichrovsky: Es ist diesmal alles offen, jede Koalition ist möglich, auch Neuwahlen. Die FPÖ wird sich bereit halten und niemanden ausgrenzen bei den Gesprächen um eine mögliche Regierungsbeteiligung. Wenn die Verhandlungen scheitern, wird es zu Neuwahlen kommen. Davor haben wir keine Angst, wir sind dieser Herausforderung durchaus gewachsen.

Eine heikle Frage zum Schluß: Sind die Freiheitlichen inzwischen so stabil, daß sie auch ohne den Volkstribun Haider erfolgreich wären, oder steht und fällt der Erfolg primär mit der Person des Chefs?

Sichrovsky: Ich glaube nicht, daß die Partei ohne Haider erfolgreich wäre. Das ist ein Vor- und auch ein Nachteil. Wir müssen in den nächsten Jahren eine solide Personalstruktur aufbauen, auf die sich die Partei stützen kann. Solange Haider jedoch in der Politik ist, wird sich die Strategie der FPÖ auf ihn konzentrieren. Doch jeder ist ersetzbar, fragt sich nur durch wen?

 

Peter Sichrovsky, 1947 in Wien geboren, studierte Pharmazie und Chemie und wechselte später ins journalistische Fach. Er arbeitete unter anderem für den Spiegel, die Männer Vogue und den Standard. Heute lebt er als Publizist in Wien und Los Angeles. Seit 1996 ist er Europaabgeordneter für die Freiheitliche Partei Jörg Haiders. Seit Ende 1998 ist Sichrovsky auch Vorsitzender des "Bundes der gesetzestreuen jüdischen Gemeinden in Deutschland".


 
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