© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    42/99 15. Oktober 1999


Südtirol: Eva Klotz, Vorsitzende der Union für Südtirol, im JF-Gespräch
Die Italiener haben nichts zu befürchten
Jakob Kaufmann

Südtiroler rufen nach ’Anschluß‘ an Österreich". So stand es am Mittwoch voriger Woche in einer längeren Meldung in der Tageszeitung Die Welt zu lesen. Danach soll die Parteivorsitzende der Union für Südtirol, Eva Klotz, in dem Artikel fälschlich Edith Klotz genannt, angesichts des Wahlsieges von Jörg Haider bei den österreichischen Nationalratswahlen ein Referendum für die Südtiroler gefordert haben.

Auf Nachfrage erklärte die Obfrau jetzt gegenüber der JUNGEN FREIHEIT, daß ihre Partei zuletzt im vergangenen April die Ausübung des Selbstbestimmungsrechts für die Südtiroler gefordert habe. Ihre Partei bzw. ihr Vorläufer, der Südtiroler Heimatbund, erhebe bereits seit 1977 diese Forderung, seit dies keinen Straftatbestand mehr darstelle. Damals hatte Italien die beiden Uno-Menschenrechtspakte ratifiziert, den Pakt über bürgerliche und politische Rechte und den Pakt über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte. Bis zur Ratifizierung ahndete die italienische Republik die Forderung nach Loslösung aus dem Staatsverband mit lebenslanger Haftstrafe.

Stolz sei sie, sagte Eva Klotz zur JUNGEN FREIHEIT, daß ihre Partei noch wenige Tage vor dem Mauerfall in Berlin einen Resolutionsvorschlag zur Wiedervereinigung Tirols in den Südtiroler Landtag eingebracht habe. Es sei der Verdienst der Union, daß das Thema immer wieder auf den Tisch komme. Die regierende Südtiroler Volkspartei (SVP) habe sich dagegen gut im italienischen Staat eingerichtet. Als Reaktion auf die Wahlerfolge der Freiheitlichen in Österreich habe sie jedoch diese Forderung nicht wiederholt.

Auf die Frage, ob sie sich vorstellen könne, daß sich die FPÖ jetzt für die Selbstbestimmung der Südtiroler stark machen werde, meinte die Union-Vorsitzende, daß sich die Freiheitlichen, auch wenn sie an der Regierung beteiligt sein würden, nicht über bestehende internationale Bestimmungen hinwegsetzen werden. Sie habe der italienischen Regierung schon gesagt, daß sie da nichts zu befürchten hätten. Die FPÖ sei für die Union aber sicher der richtige Ansprechpartner, zumal sie ihren Standpunkt teile, daß die Bestimmungen im Autonomiestatut von Rom leicht durch einen winzigen Passus, der darin enthalten sei, außer Kraft gesetzt werden können.

Der Artikel in der Welt suggeriert, daß der Wahlerfolg Haiders die Separatisten in Südtirol stärke. "Haiders Wahlsieg gibt den Kräften Auftrieb, die die wohlhabende Provinz von Italien abspalten wollen." Und weiter heißt es da: "Die italienischsprachige Minderheit am Oberen Etsch fürchtet bereits die Rückkehr des Tirols der Habsburger... Am stärksten beunruhigt sind die ’italienischen’ Italiener in Südtirol."

Der Autor bezog sich bei seinen Ausführungen augenscheinlich auf einen Beitrag in der italienischen Tageszeitung La Repubblica, die unter anderem Eva Klotz wie auch Pius Leitner, den Obmann der Südtiroler Freiheitlichen, und den SVP-Vorsitzenden Siegfried Brugger um Stellungnahmen zum Erfolg der FPÖ gebeten hatte. "Südtirol fürchtet nun die nationalistische Ansteckung", schlußfolgerte die Repubblica. Begründung: Jörg Haider habe große Sympathien in Südtirol.

Bemerkenswert sind die Fehler und Ungereimtheiten in dem Welt-Beitrag: Eva Klotz wird Edith Klotz genannt, und die Etsch heißt in dem Artikel plötzlich der Etsch. "Mussolini ordnete mit mäßigem Erfolg eine Zwangsitalienisierung der Provinz an", heißt es da, als ob "Erfolg" eine Kategorie für die faschistischen Zwangmaßnahmen sei. "Die italienische Regierung buttert jährlich acht Milliarden Mark in die Provinz, um Separatisten ruhigzustellen", schreibt der Autor weiter.

Dem Land zwischen Brenner und Salurner Klause geht es tatsächlich sehr gut: Die Südtiroler schöpfen jedoch aus eigenen Quellen. Neun Zehntel der entrichteten Steuern bleiben im Land. "Separatisten" wurden zudem nicht mit finanziellen Mitteln "ruhiggestellt", sondern – wie in Hans Karl Peterlinis Buch "Bomben aus zweiter Hand – Südtirols mißbrauchter Terrorismus" nachgewiesen – durch falsche Vorwürfe und Anklagen.

Jüngstes Beispiel ist der immer noch ungeklärte Mord an dem Südtiroler Landtagsabgeordneten Christian Waldner, der Jörg Haider nicht nur verehrte, sondern auch imitierte. Er wurde im Februar 1997 erschossen aufgefunden. Seinen langjährigen Weggefährten, den ehemaligen freiheitlichen Vordenker Peter Paul Rainer, sprach das Oberlandesgericht in Trient im vorigen Dezember vom Vorwurf des Mordes an seinem Freund Waldner frei (die JF berichtete). Die Südtiroler Staatsanwaltschaft betrachtet den Fall jedoch als abgeschlossen und ermittelt nicht nach dem Täter.

Interessant ist in diesem Zusammenhang, daß wenige Tage nach der Verhaftung Rainers Andreas Englisch, der für den Springer-Verlag in Rom arbeitet, in der Welt schrieb, daß der Angeklagte Waffenlager in Südtirol angelegt habe – ein Vorwurf, der nirgendwo sonst, nicht einmal in den mehr als 3.000 Seiten Gerichtsakten, erhoben wurde.


 
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