© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    42/99 15. Oktober 1999


Kino: "You are dead – Heute ist Zahltag" von Andy Hurst
Zur Satire überzeichnet
Claus-M. Wolfschlag

Eddie (Rhys Ifans), ein gelangweilter Millionen-Erbe, und sein debiler, aber ihm höriger Freund Ian (David Schneider) träumen vom großen Abenteuer. Die Frage stellt sich für die beiden allerdings, wo in ihrer völlig abgesicherten Welt noch der nötige Nervenkitzel zu finden ist. Eddie kramt deshalb in der Vergangenheit der Familie und wird schnell fündig. Beteiligte sich sein Vater nicht vor vielen Jahren an dem legendären Casino-Coup, einem in der Fachwelt anerkennend gewürdigten Raubüberfall, bei dem das Familienerbe ergaunert werden konnte?

So etwas zu wiederholen schwebt dem narzistischen Snob vor, und auch der Plan liegt bereits auf dem Tisch. Zur Realisierung bedarf es allerdings noch einer dritten Person. Ein alter Freund des Vaters, der legendäre Safeknacker Maitland (John Hurt), immer noch im Gefängnis eine Freiheitsstrafe verbüßend, wird rasch wieder aus den im Langzeitgedächtnis abgelegten Dateien ausgegraben. Und nach einigem Zögern stimmt Maitland – mehr aus Eitelkeit denn aus Hoffnung – dem Plan zu, läßt sich befreien und schreitet mit den zwei Greenhorns zur Tat. Der Überfall gerät zu einer komischen Farce dreier Dilletanten.

Stilvoll gekleidet, in englischen Anzügen und mit Melone betreten sie das Bankgebäude, sprengen die Safetür. Doch unverhofft betritt derweil eine rivalisierende Bande die Bank. Und nur wenig später hat zudem ein polizeiliches Einsatzkommando das Bauwerk umstellt. Die Eingeschlossenen verbarrikadieren sich mit einigen Geiseln, und das Geschehen nimmt immer surrealere Züge an. Das Gebäude wird zum Labyrinth, in dem der dem Wahnsinn verfallende Bankdirektor – eine Mischung aus "Alien" und einem Sumo-Ringer – sein Unwesen zu treiben beginnt. Die konkurrierende Bande erweist sich als von einem quacksalbernden Psycho-Therapeuten dirigiert. Eine Geisel entpuppt sich als die scheinbar hilflos mutige Polizistin Jo (Claire Skinner), die ein tiefergehendes Verhältnis an Maitlands Gang zu binden scheint. Zudem belagern der so cholerische wie korrupte Polizei-Inspektor Badger (John Benfield) und eine ominöse security-Agentur mit dem Namen "Cyclops" das Gelände.

Dieser etwas überdrehte Streifen ist der zweite Spielfilm des 23jährigen Regisseurs und Autors Andy Hurst. Als scheinbar intellektuellen Hintergrund seines Werks nannte der Jüngling die Absicht, das Tier im Menschen darzustellen, welches ausbreche, wenn man nur leicht an Fassade der zivilisierten Gesellschaft kratze. Von solch hehrem Anspruch ist allerdings wenig bei dem fertigen Produkt zu erahnen. "You are dead" ist vielmehr alles andere als ein ernstzunehmender Film. Eher eine Slapstick-Groteske, die irgendwo zwischen englischem Sarkasmus und der albernen Clownerie italienischer Komödien der siebziger Jahre liegt. Alles wirkt comic-haft. Jede halbwegs emotional ansprechende Szene wird gleich soweit überzeichnet, daß sie zur Satire mutiert. Dieser Film ist somit nur jenen zu empfehlen, die einen Hang zu dieser Art von eigenartiger Komik besitzen.

Eine Randnotiz, die aber nicht zusätzlich abschrecken soll, ist die Mitarbeit einer Düsseldorfer Rock-Band an der musikalischen Gestaltung des Streifens. Auf der Suche nach einem (zum Glück kaum auffallenden) Titellied kam der in Los Angeles lebende Filmproduzent Marco Weber auf keine andere Gruppe als die Toten Hosen. Und deren unsäglicher Sänger "Campino" ließ es sich nicht nehmen, den Streifen als "eine Mischung aus Trainspotting und Clockwork Orange" zu beschreiben. Nicht nur von der professionellen Kritik wurde er aufgrund solch mangelnden Filmverstandes belächelt.


 
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