© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    42/99 15. Oktober 1999


Armin Mohler: Ravensburger Tagebuch. Meine Zeit bei Ernst Jünger
Die Schlange an Jüngers Brust
Michael Meyer

EJ berichtet über Opfer an Venus bei Ankunft in Paris. Schöne Frau in Métro, die ihn anschaut. Sie steigt aus, er folgt ihr, spricht sie an, ob man nicht etwas unternehmen könne. Sie: ‘Avez-vous une idée?’ er: Man könnte ins Hotel gehen, was denn auch geschah." Dies ist eine der wenigen interessanten Eintragungen in dem Tagebuch Armin Mohlers, das zur Buchmesse im österreichischen Karolinger Verlag erscheint. Eine Frage ist indes, ob diese privaten Erzählungen Jüngers gegenüber Mohler unbedingt veröffentlicht gehören.

Mohler war Secretarius bei Jünger von 1949 bis 1953, führte seine Aufzeichnungen jedoch nur in den ersten beiden Jahren in Ravensburg. Vor dem Umzug ins schwäbische Wilflingen beendete er seine Notizen. In der kurzen Vorbemerkung zu diesem Buch schreibt Mohler selbst: "Tagebuch-Schreiben war nie eine Herzensangelegenbheit von mir." Das merkt man den Aufzeichnungen auch an und fragt sich bei der Lektüre fast jeder Seite, warum die wilden Notizen publiziert worden sind. An interessanten Aussagen Jüngers findet sich recht wenig. Mal hier ein Hinweis zu Benn, mal dort eine Aussage zu Heuss (das "Dünnste vom Dünnen"). Über die gesamten knapp 90 Seiten Tagebuch sind es vielleicht ein halbes Dutzend Äußerungen von Jünger über Schriftstellerkollegen, Kritiker oder andere, die den Mohlerschen Aufzeichnungen überhaupt ansatzweise Essenz geben. Fast nichts davon, was man jedoch nicht schon wüßte. Das Gros des Textes liest sich wie folgende Passage: "Im ‘Becher’ schöne Schwester des Wirts, Frau Schildknecht, die in Metzgers (?) Buchhandlung in Überlingen arbeitet. Viel Ähnlichkeit mit ZJ, aber blond und breit-untersetzt, wohl schon zweite Hälfte 30, katzenhaft und starker blonder Flaum, braune Haut und stark gebaut, sehr feine Nasen-Augen-Partie. Zweiter starker Fraueneindruck, seit ich dieses Jahr in Deutschland bin (vorher: Hertha Diers)." Aha.

Dieser Eindruck des Buchs wird abgerundet durch ein ganzseitiges Photo, das Ernst Jünger und Armin Mohler vor Jüngers Haus zeigt; Mohler ist darauf mit einem Bademantel bekleidet! Zum Werk Jüngers in dieser Zeit, also vor allem zum Roman "Heliopolis", äußert sich Mohler degoutant. Obwohl Mohler erst wenige Monate Secretarius Jüngers ist, liest er dem großen Schriftsteller bereits ziemlich die Leviten. Zumindest, wenn man seinen Aufzeichnungen Glauben schenkt: "Ob ich Ihnen auf diesem Wege folgen kann, weiß ich nicht... Der Schluß hat eine Bitterkeit in mir hervorgerufen; eine Bitterkeit, die sich zu dem Wunsche verdichtete, einmal ein Werk schreiben zu können, in welchem Nigromontan Gerechtigkeit widerfahre (sofern er das überhaupt braucht) – ein Werk also, das ‘Heliopolis’ widerlegt." (Aus einem ins Tagebuch übernommenen Brief an Jünger.)Mohlers Doktorvater Karl Jaspers soll zu Mohler gesagt haben: "Wir Philosophen nähren oft die Schlange an unserer Brust…" Das schien wohl ein wenig auch auf Ernst Jünger zuzutreffen.

 

Armin Mohler: Ravensburger Tagebuch. Meine Zeit bei Ernst Jünger 1949/50. Mit einem Nachwort von Edith Mohler. Karolinger Verlag, Wien und Leipzig, 1999, 112 Seiten, 36 Mark


 
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