© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    43/99 22. Oktober 1999


Kolumne
Weltpolizei Nato?
von Klaus Hornung

Es wird immer deutlicher: Starke Kräfte in den USA wollen die Nato zu einer weiltweit agierenden Interventionsstreitmacht umfunktionieren, zur militärischen Abstützung der US-dominierten "Globalisierung". Einst zur Verteidigung der nordatlantisch-europäischen Regien gegen die offensive Sowjetunion gegründet, strebt die "neue Nato", die am 25. April 1999 in Washington zur Welt gebracht wurde, wahrhaft nach "neuen Ufern". Es mochte noch angehen, daß sie bereits 1991 am Persisch-Arabischen Golf und im Irak präsent war und seit 1993 auf dem Balkan, ging es doch dort um die Ölversorgung des Westens und hier um die Eindämmung ethnischer Konflikte und entsprechender Flüchtlingsmassen "vor der europäischen Haustür". Dann aber kam der erste große Sündenfall Somalia, wo es nicht mehr um europäische Interessen ging und die Suche der Ölmultis nach neuen Vorkommen mit "Menschenrechts"-Argumenten bemäntelt wurde. Die Deutschen zumal stürtzten sich mit dem Übereifer von Musterschülern ins Gefecht, das dann nach Millionen-Kosten kleinlaut abgebrochen wurde.

Nun also Ost-Timor, fast bei den Antipoden! Unser Außenminister bot zunächst einmal 100 deutsche Sanitätssoldaten an, obwohl niemand danach gefragt hatte: Dabeisein ist alles, "the Germans to the front", wenn es um den Krieg für die Menschenrechte geht! Was sind da die läppischen sechs Millionen Mark monatlich, meinte auch der Bundestag in der in solchen Fällen üblich gewordenen Einstimmigkeit. Aus der Sicht von Fischers vorauseilendem Gehorsam ist jedenfalls der Anfang gemacht ...

Als Anhänger der alten Nato wundert man sich, mit welcher Leichtigkeit die USA auf die Vasallentreue der Verbündeten rechnen können, obwohl die neue Nato einen tiefen historisch-politischen Einschnitt bedeutet. Während die entpolitisierten Deutschen bis zum Erbrechen über die Ladenschlußzeiten diskutieren, wird die neue Nato-Doktrin in schöner Political Correctness unter der Decke gehalten.

So haben die Medien noch nicht einmal über das Nein zur neuen Nato berichtet, das soeben ein Aufruf von 500 norwegischen Politikern, Wissenschaftlern und Intellektuellen formuliert hat, darunter Professor Francis Sejersted, Vorsitzender des Friedensnobelpreis-Komitees und der Parlamentarischen Kommission für die Freiheit der Meinungsäußerung in Norwegen. Sejersted, Anhänger der alten Nato, warnt vor dem "stumbling into a new role" der Nato, dem Hineinstolpern der Allianz in eine blinde Global-Strategie. Diese Debatte sollte rasch auch in Deutschland beginnen.

 

Prof. Dr. Klaus Hornung lehrte Politische Wissenschaft an der Universität Stuttgart-Hohenheim.


 
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