© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    43/99 22. Oktober 1999


Keine Stern-Stunde
von Dieter Stein

Der Friedenspreis des Deutschen Buchhandels für den deutsch-amerikanischen Historiker Fritz Stern war eine politisch-korrekte Antwort auf die schlagzeilenträchtige Verleihung an Martin Walser vom Vorjahr. Fritz Stern ist ein westlich-konformistischer Historiker, der 1987 mit einem die Teilung Deutschlands partiell rechtfertigenden Vortrag zum Tag der deutschen Einheit im Bundestag von sich reden gemacht hat. Er hatte dem Aufstand des 17. Juni 1953 den Charakter des nationalen Volksaufstandes bestritten und versucht, ihn zum sozialen "Arbeiteraufstand" zu degradieren. Kurz: Stern war vor 1989 ein Gegner eines vereinigten Deutschland, während Martin Walser an der Teilung litt und sich von links an die deutsche Frage heranwagte.

Fritz Stern ist gebürtiger Breslauer und wurde als Jude aus dem nationalsozialistischen Deutschland vertrieben. Er sagt: "Ich erinnere mich auch, wie sehr meine Eltern an der Heimat gehangen haben, mit welcher Selbstverständlichkeit sie sich bis 1933 als Deutsche empfanden." Waren sie es denn nicht? In seiner Friedenspreis-Rede nimmt das "Dritte Reich" einen großen Raum ein. Biographisch verständlich. Dennoch: Der Historiker Fritz Stern versäumte es, sich zum epochalen Thema des kommunistischen Totalitarismus zu äußern. Er hätte es tun müssen. Es ist unredlich, zu sagen, "das Verlangen nach einer vergleichenden europäischen Geschichte ist alt", und sich dann vor der Beschäftigung des vor 1933 einsetzenden und 1945 überdauernden roten Terrors zu drücken. Stern sagt: "Die meisten Historiker und auch Dramatiker waren eher autoritätskonform und paßten sich an jegliches Establishment an und wollten ja identitätsstiftend sein, ihrer Nation eine glorreiche Vergangenheit präsentieren." Sie waren es? Fritz Stern ist – wie viele seiner Zunft – auch heute konformistisch: "Die westliche Welt hat den Kampf gegen intolerante Orthodoxie bestanden", schreibt er apologetisch und bescheinigt den Westdeutschen, sie hätten sich "mit so viel Hingabe amerikanisiert": "Am Anfang der Bonner Republik war Amerika Beschützer und Vorbild." Amerika war Besatzungsmacht und Deutschland Aufmarschgebiet für den Dritten Weltkrieg zwischen West und Ost.

Mit Fritz Stern wurde ein Historiker geehrt, der eine der problematischsten Thesen untermauerte: die des "deutschen Sonderweges". Stern hat insbesondere in seinem Werk "Kulturpessimismus als politische Gefahr" konservative Intellektuelle der Weimarer Zeit zu Komplizen und Helfershelfern des Nationalsozialismus und "antiwestliches Denken" als verdächtig deklariert. Topoi, die in den deutschen Debatten zum Standardrepertoire gehören. Die Walser-Bubis-Debatte läßt grüßen ...


 
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