© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    43/99 22. Oktober 1999


Parteien: Die Bündnisgrünen in Bayern feierten ihren zwanzigsten Geburtstag
"Grün" nur noch als Mogelpackung
Reinhard Falter

Im Paulaner-Keller am Nockerberg, dem Ort ihrer Gründung, begingen die bayerischen Grünen dieser Tage ihren zwanzigsten Geburtstag. Dazu waren auch ehemalige Funktionsträger eingeladen, die, wie der Verfasser, der Partei nicht mehr angehören. Manfred Fleischer freilich, der prominenteste Ex-Grüne, der jetzt als CSU-Kandidat für das Bürgermeisteramt in Stoibers Heimatgemeinde Wolfratshausen im Gespräch ist, war nicht in Person anwesend, dafür um so mehr in gehässigen Bemerkungen.

Die Stimmung war trotz der derzeitigen Wählerflucht gehoben. Man blickte zurück auf eine "beispiellose Erfolgsstory", die erste Kraft in der BRD zu sein, der es gelang, sich neben dem christlich-konservativen, dem wirtschaftsliberalen und dem sozialdemokratischen Block parlamentarisch zu etablieren. Der Prozeß von der Antiparteienpartei zur normalen Regierungspartei – was im gegenwärtigen politischen System nicht funktionierender Gewaltenteilung zwischen Legislative und Exekutive bedeutet, zum Wurmfortsatz der Regierung zu verkümmern – wurde allgemein als Fortschritt proklamiert. Es ist einer von jenen "Fortschritten", die die Grünen einst angetreten waren zu bekämpfen. Kaum einer der anwesenden heutigen Funktionäre verstand überhaupt noch, wozu "Rotation" oder "Trennung von Amt und Mandat" ursprünglich einmal Mittel sein sollten, nämlich genau zur Verhinderung dieses Fortschritts. Untaugliche Mittel vielleicht, aber immerhin aus einem größeren Problembewußtsein heraus als derzeitige Strukturreformen, die nur verkappter Machtkampf sind.

Grußworte ehemaliger Aktivisten, die dem Naturschutz treu geblieben sind, wirkten seltsam naiv und deplaziert, schienen sie doch noch immer davon auszugehen, daß Natur- und Umweltschutz für die normal gewordene Partei eine andere Stellung hätten als für die "Altparteien". Aber man hatte den Eindruck, die heutigen Parteivorsitzenden widersprachen nicht nur aus Höflichkeit nicht. Manche jedenfalls wollen den Wandel bis zur Unkenntlichkeit nicht sehen. Sie hängen an dem Projekt "Die Grünen" vor allem mangels Alternative. Der Aufstieg der Grünen läßt sich nicht durch eine andere Öko-Partei wiederholen, das hat schon das Schicksal der Ökologisch-Demokratischen Partei (ÖDP) gezeigt, aber ist das eine Entschuldigung dafür, die Augen davor zu verschließen, daß diese Partei längst ihren Namen nicht mehr verdient?

Nein, diese Partei wird von Naturschützern nicht mehr gebraucht. Das machte die Feier deutlich. Vielleicht wird es in kommenden Wahlkämpfen noch zu einer kleinen Mogelpackung reichen, zum Beispiel zu einer Erhöhung von Subventionen für Wind- und Wasserkraftwerke, mit der dann im grünen Namen der letzte Bach durch die Turbine gedreht und der letzte Schwarzwaldberg mit einem surrenden und blinkenden Rotor seines Genius Loci beraubt wird. Und auch sonst braucht sie niemand, denn für alles, was an altlinken Ideen noch politikfähig ist, gibt es jetzt die PDS. Wer also soll beim nächsten Mal noch "grün" wählen?

Der frühere Landesgeschäftsführer der bayerischen Grünen, Gerald Häfner, gab bei den Feierlichkeiten ein Stimmungsbild aus der Frühphase der Partei. Sein Bild war keineswegs romantisierend, vielmehr stellte er fest, daß auch früher schon der Ton des innerparteilichen Kampfes wenig "gewaltfrei" gewesen sei. Er führte unter anderem eine Attacke des Mitgründers August Haußleiter an, der – nachdem er ihm für den Fall abweichenden Abstimmungsverhaltens angekündigt hatte, ihn "politisch zu erledigen" – Häfner im Parteiblatt als CIA-Agenten "enttarnte": Häfner habe aus Idealismus auf ein reguläres Gehalt verzichtet, also müsse er andere Finanzquellen haben… Auch andere Redner hatten bemerkt, daß der Verschleiß von Menschen in Funktionen (20 Landesvorsitzende in 20 Jahren) nicht gerade "ökologisch" sei. Angesichts der Art des innerparteilichen Umgangs liegt der Schluß nahe, daß es sich um eine Negativauswahl von Karrieristen und Wendehälsen handelt, die heute für die Grünen in den Parlamenten sitzt.

Ob Joschka Fischer und seine Leute nun auch noch den letzten Schritt der Umwandlung schaffen und das grüne Projekt dann vollends inhaltslos ist, ist gar nicht mehr entscheidend. Interessant ist angesichts dieser Aushöhlung, daß am Anfang vom "Bruder Barnabas", der traditionellen Figur, die auf den Nockerberg-Festen die Politiker "ausrichtet", Franz Josef Strauß zitiert wurde mit seiner Rede vom trojanischen Pferd. Freilich sitzen in der Bauchhöhlung nicht mehr die roten Kader der Z-Fraktion des Kommunistischen Bundes (KB), sondern ganz normale Pöstchenjäger.

Das Spruchband "ökologisch – basisdemokratisch – sozial – gewaltfrei" hing zwar über dem Podium, doch angesichts der Verdammung von Unterschriften gegen die doppelte Staatsbürgerschaft, angesichts der Senkung des Sparerfreibetrags, angesichts eines High-tech-Krieges dafür, daß jetzt Kosovaren Serben ermorden statt umgekehrt, wollte darauf niemand mehr so richtig eingehen.

 

Reinhard Falter, Historiker, ist Landschaftsschützer und war grüner Parteifunktionär.


 
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