© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    43/99 22. Oktober 1999


Zitate

"Es ist den Grünen, so scheint es, die Seele abhanden gekommen. Nur der Erfolg, den sie letztlich dann doch nicht haben, hält sie noch zusammen. (…) Es ist die Form-und Strukturlosigkeit der grünen Partei, die sie dem Mittelmaß in die Hände gespielt und sie bürokratisch entstellt hat. Weil die Grünen Strukturen so lange ablehnten, sind sie heute die mit Abstand am autoritärsten geführte Partei Deutschlands. Geführt wird sie (…) von einem, der ihrer Führung nicht angehört, nie angehört hat. Von einem, der dem Treiben an der sogenannten Basis längst offen entgegenbringt, was er längst schon fühlte: Verachtung. Die ganze Partei ist, so steht zu befürchten, auf einen angewiesen, der auf die Partei nicht angewiesen ist."

Thomas Schmid in der "Welt" vom 18. Oktober 1999

 

 

"Den Regierenden scheint es völlig egal, ob sie in Osttimor Wache stehen oder noch weiter östlich. Sie würden ja auch in Pakistan, wo die Amerikaner schon wieder dilettantisch eingegriffen haben, ihre menschenfreundliche Arbeit aufnehmen. So etwas fängt immer mit Sanitätspersonal, Beraterstäben und sonstiger Vernebelungstaktik an. In Vietnam standen über 500.000 Mann, die dann den Schwanz einziehen mußten. (…) Der Frankfurter Sponti und Sitzblockierer gegen die US-Rakete ’Pershing-2‘, das größte Schimpfmaul gegen den verbrecherischen Krieg der USA in Vietnam wirft seine Vergangenheit hinter sich wie der Apostel Paulus. Er betet nun an, was er immer bekämpft hat, den Kriegskapitalismus. (…) Ja, ich spitze den Fall Fischer drastisch zu, indem ich sage: Er will den Nationalstaat abschaffen und stattdessen die grenzübergreifende Polizeitruppe unter der Führung der USA, vulgo auch Nato genannt."

Rudolf Augstein im "Spiegel" Nr. 42 vom 18. Oktober 1999

 

 

"Der gewandelte Konsens der politischen Klasse wurde weder durch die lange Regierungszeit Kohls noch durch die Wiedervereinigung in Frage gestellt. Nachdem der Beitrag der Achtundsechziger zur ’Zivilisierung‘ (Richard von Weizsäcker) der Bundesrepublik grundsätzlich anerkannt war und der Generationenkonflikt eine biologische Lösung gefunden hatte, definierte man das Wertgefüge entsprechend um (ironisch – prowestlich – antifaschistisch). Die ’neue Mitte‘, die uns bei der letzten Bundestagswahl präsentiert wurde, kann durchaus als Endergebnis des Widerspiels von Anverwandlung und Integrationsbereitschaft betrachtet werden. Das Verschwinden der letzten ’Stahlhelmer‘ im Unionslager und die Maßanzüge der streetfighter von gestern sind symbolische Kennzeichen der veränderten Lage."

Karlheinz Weißmann in der Zeitschrift "Gegengift" vom 15. Oktober 1999

 

 

"Ein Großteil der konkreten Utopien, die wir 68er damals entwickelten, ist veraltet; die für die damalige Gesellschaft erarbeiteten Teilstücke und Umrisse eines Zukuftsentwurfs haben schon bald ihren Sinn verloren; nicht weil sie allesamt ’falsch‘ waren, sondern weil die Gesellschaft sich in eine andere Richtung entwickelte. Damit war aber auch das ’Projekt Zukunft‘ gescheitert. (…) Unsere Gesellschaft hat einen enormen Bedarf an konkreten Utopien. Eine neue 68er Generation wäre wünschenswert – mit ein paar weniger schwärmerischen Flausen und mehr realistischen Strategien, wie man zum gesellschaftlichen Konsens kommt. Gegenwärtig sind nur Ansätze und Bruchstücke einer Konzeption zu erkennen."

Rolf Uesseler in der Zeitschrift "Neue Gesellschaft/Frankfurter Hefte", Oktober 1999


 
Versenden
  Ausdrucken Probeabo bestellen