© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    44/99 29. Oktober 1999


Rüstungsexporte: Die Türkei wird zur unangreifbaren Regionalmacht aufgerüstet
Panzer für den Wüstenkrieg
Michael Wiesberg

Das derzeitige Hickhack um das anstehende Panzer-Geschäft mit der Türkei zeigt einmal mehr, daß die Bündnisgrünen eine Partei sind, die in erster Linie gegen deutsche Interessen agiert und agitiert. Während die Amerikaner in Ankara eine intensive Lobbyarbeit betreiben, um im Milliardengeschäft mit der Türkei die Nase vorne zu haben, ziehen Teile der SPD-Linken und die Bündnisgrünen alle Register, um dieses Geschäft zu verhindern.

Im Raum steht ein Geschäft im Auftragswert von etwa 14 Milliarden Mark, das für die Herstellerfirma des begehrten Kampfpanzers Leopard 2 A5, den Münchner Rüstungskonzern Krauss-Maffei-Wegmann, einen der größten Aufträge in der Firmengeschichte bedeuten würde. Derartige Erwägungen interessieren die einfältigen Anwälte der Menschenrechte in den Reihen der Bündnisgrünen nicht. So packte Claudia Roth, Vorsitzende des Menschenrechtsausschusses des Deutschen Bundestages, bei Bekanntwerden des windelweichen Kompromisses, zunächst einen Testpanzer an die Türkei zu verkaufen, die in deutschen Politikerkreisen übliche "Mischung aus Ensetzen, Wut und Empörung". Roth verstieg sich gegenüber der Presse am 20. Oktober zu der unbelegten Behauptung, der Krieg der Türken gegen die Kurden wäre "nur mit deutschen Waffen möglich" gewesen.

Deutsche Regierungskreise haben, sollte die Berliner Zeitung (21. Oktober) recht haben, den Kampf um das Waffengeschäft mit der Türkei bereits aufgegeben. Die Amerikaner machten großen Druck, wird ein Regierungsmitglied zitiert. In der Tat: Die amerikanische Rüstungsfirma General Dynamics, deren Kampfpanzer Abrams M1 A2 der schärfste Konkurrent des Leopard 2 ist, soll den Türken angeboten haben, ihnen beim Kauf von 1.000 Kampfpanzern 350 gebrauchte Kampfpanzer M1 zu schenken. Darüber hinaus erhält General Dynamics durch die US-Regierung massive Unterstützung.

Türkei kann Gegensätze in der Nato für sich nutzen

Neben den Amerikanern gibt es aber noch weitere Konkurrenten. So das französische Staatsunternehmen Giat mit dem Panzer "Leclerc", das italienische Konsortium Iveco Fiat mit dem Panzer "Ariete" und die Ukraine mit dem ursprünglich für die Sowjetarmee entwickelten Kampfpanzer T-80 U. Es fällt ins Auge, daß sich kein beteiligter Staat eine ähnliche Diskussion leistet, wie sie in Deutschland ausgetragen wird. Die schillerndste Rolle in diesem Zusammenhang spielt wohl Bundesaußenminister Fischer, der im Juli dieses Jahres im Rahmen seines Türkeibesuches noch bedauert hatte, daß es während der deutschen EU-Präsidentschaft nicht gelungen sei, Widerstände skandinavischer EU-Mitglieder und Italiens gegen eine mögliche Mitgliedschaft der Türkei in der EU auszuräumen. Jetzt gehört derselbe Fischer zu denjenigen, die wortreich gegen das Waffengeschäft mit der Türkei zu Felde ziehen.

Ein interessantes Argument für die möglichen Motive Fischers, der Türkei die Möglichkeit eines EU-Beitrittes in Aussicht zu stellen, lieferte vor kurzem Kamran Inan, der Vorsitzende des Ausschusses für Auslandsbeziehungen des türkischen Parlamentes. Das wahre Motiv für die veränderte Haltung der Europäischen Union (EU) gegenüber der Türkei, so Inan in einem Interview mit den Turkish Daily News (22. Oktober), sei das Unbehagen der EU im Hinblick auf die wachsende Zusammenarbeit der Türkei mit Israel und den USA. Wenn auch spät, so habe die EU jetzt doch begriffen, daß sich künftige Auseinandersetzungen um Energieressourcen drehen werden. Die Position der Türkei in diesem Zusammenhang könne, so Inan, als eine Art Korridor zum Kaukasus und nach Zentralasien definiert werden. Vor dem Hintergrund der immer enger werdenden Zusammenarbeit der Türkei mit Israel und den USA könnte der Einfluß der EU auf den Mittleren Osten auf "Null reduziert" werden. Das gleiche würde für den Balkan gelten, betonte Inan.

In der Türkei beschränkt sich die Diskussion allerdings keineswegs auf die Zusammenarbeit mit den USA und Israel. So machte sich zum Beispiel Mehmet Ogutcu ebenfalls in den Turkish Daily News vom 5. August Gedanken über den Aufbau einer türkisch-chinesischen Partnerschaft im 21. Jahrhundert. Beide Staaten hätten gemeinsame Ziele und planten den Ausbau ihrer ökonomischen und militärischen Macht im 21. Jarhundert. Beide Staaten arbeiteten an einer Reaktivierung der antiken "Seidenstraße", die China, Zentralasien, den Mittleren Osten und Europa miteinander verbunden hätte. Auch in diesem Artikel finden sich deutliche Spitzen gegen die EU. So argumentiert Ogutcu, daß die Türkei ihre Beziehungen mit Zentralasien, Israel und den USA auch deshalb intensiviere, um strategische Alternativen zur EU-Mitgliedschaft zu schaffen.

Irak und Syrien sollen unter Kontrolle gebracht werden

Welches Interesse China an einer Zusammenarbeit mit der Türkei haben könnte, begründet Ogutcu: Als ein Staat mit engen Verbindungen zum Mittleren Osten, Zentralasien, dem Kaukasus und der EU wäre die Türkei der ideale ökonomische und politische Partner für China. Daß auch hier wieder Energiefragen die zentrale Rolle spielen, macht Ogutcu unmißverständlich klar: das energiehungrige China versuche den Zugriff auf die Energieressourcen des Mittleren Ostens, des Kaukasus und des asiatischen Teils der Russischen Förderation. Auch hier gebe es eine Koinzidenz der Interessen, denn die Energiepolitik sei ein zentraler Bestandteil sowohl der chinesischen als auch der türkischen Außen- und Sicherheitspolitik.

Weiter argumentiert Ogutcu, daß im gleichen Maße, wie der Einfluß Rußlands im Kaukasus und im Zentralasien nachlasse, der Einfluß der Türkei steige. Ähnlich wie den USA ist der Türkei an einer Zurückdrängung Rußlands insgesamt gelegen: Das geostrategische Interesse der Türkei bestehe darin, jeder Entwicklung vorzubeugen, die zu einer Steigerung des russischen Einflusses in Eurasien führe. Ein Schlüsselinstrument bei diesen Bemühungen sei ein Energiekorridor zwischen der Türkei und China, der russisches Territorium ausspare.

Dieser Hintergrund ist wichtig für die Einstufung der militärischen Anstrengungen Ankaras, zu denen das Panzergeschäft gehört. Die Türkei ist mehr und mehr dabei, mit Unterstützung der USA und Israels zur unangreifbaren Regionalmacht in einer geostrategisch höchst wichtigen Region aufzusteigen.

Nicht zu Unrecht spricht die in den Vereinigten Arabischen Emiraten (VAE) erscheinende Zeitung Al-Khaleej vom 13. Juli dieses Jahres in einem Artikel davon, daß die Türkei mit ihrem Angriff auf den Iran, ihren Drohungen an Syrien und ihrer Invasion des Iraks demonstrieren wolle, daß eine neue Ära in der Region angebrochen sei, die von der militärischen Macht Israels und der Türkei bestimmt würde.

Das Muskelspiel der Türkei gegenüber dem Irak und Syrien, so Al-Khaleej, müßte die Alarmglocken in der arabischen Welt schrillen lassen.

Deutschland muß seinen regionalen Einfluß sichern

Aus deutscher Sicht wäre, legt man die oben angeführten Faktoren zugrunde, das Waffengeschäft mit der aufstrebenden Regionalmacht Türkei im ureigensten Interesse. Nicht zuletzt deshalb, um im Hinblick auf die angesprochenen künftigen Auseinandersetzungen um die Energieressourcen einen Fuß in der Tür zu behalten.

Daß Außenminister Joschka Fischer, dessen Plädoyer für eine EU-Mitgliedschaft der Türkei sich nicht zuletzt aus den dargestellten Gründen erklären dürfte, im konkreten Fall parteitaktisches Interesse, verbrämt als "Menschenrechtspolitik", über langfristige Interessensicherung stellt, ist ein Indiz mehr dafür, daß die Bündnisgrünen keineswegs zu "Realpolitikern" gereift sind, sondern nach wie vor einer kruden Ideologie anhängen.


 
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