© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    45/99 05. November 1999


Wehrmachtsausstellung: Der Widestand gegen die umstrittene Bilderschau wächst
Das späte Ende einer Kampagne
Richard Stoltz

Nach den Fälschungsvorwürfen namhafter Historiker gegen die Wehrmachtsausstellung des Hamburger Institus für Sozialforschung (die JF berichtete) wächst der Widerstand gegen die Bilderschau. Besonders aus Braunschweig, Wiesbaden und Leipzig bläst den Ausstellungsmachern um Institutschef Jan Philipp Reemtsma und Ausstellungsleiter Hannes Heer ein scharfer Gegenwind ins Gesicht.

In Braunschweig soll die umstrittene Ausstellung, die zur Zeit noch in Osnabrück gastiert, ab dem 11. November gezeigt werden. In Wiesbaden ist sie für den Zeitraum vom 5. bis zum 30. Januar 2000 gebucht, und in Leipzig will sich die Bilderschau vom 6. April bis zum 31. Mai 2000 präsentieren. Alle drei Etappen könnten jetzt jedoch nach einem bericht des Nachrichtenmagazins Focus gefährdet sein.

So hat Braunschweigs Oberstadtdirektor Jürgen Bräcklein (SPD) das Hamburger Institut bereits aufgefordert die Fälschungsvorwürf zu entkräften. Auch die CDU-Stadtratsfraktion fordert eine Garantieerklärung für die Authentizität der Bilder.

In Wiesbaden will CDU-Oberbürgermeister Hildebrand Diehl die Ausstellung am liebsten überhaupt nicht in der Stadt haben. Die Schau sollte schnellsten vom Markt genommen werden. "Ein seriöser Aussteller, dem es um die historische Wahrheit geht, hätte das längst getan", wird Diehl im Focus zitiert. Die CDU-Fraktion im Magistrat, in dem SPD und Grünen die Mehrheit bilden, fordert unterdessen, den Vertrag mit den Ausstellern zu kündigen.

Zusätzlichen Druck will der hessische Landesverband der Republikaner ausüben. In einer Gegenausstellung, die von dem stellvertretenden Kreis- und Fraktionsvorsitzenden der Wiesbadener Republikaner, Peter Schadt, organisiert wird, will sich die Partei sowohl mit den Fälschungen in der Wehrmachtsausstellung als auch mit den an deutschen Wehrmachtssoldaten begangenen Verbrechen auseinandersetzen. Den Auftakt zu dieser Gegenausstellung soll eine für den 21. November geplante Diskussionsveranstaltung bilden, zu der neben anderen auch der renommierte Münchner Historiker und Kritiker der Wehrmachtsausstellung Walter Post (JF 44/99) eingeladen ist.

In Leipzig wehrt sich besonders die CDU-Fraktion gegen die geplante Präsentation der Ausstellung. "Es kann einfach nicht sein, daß eine ganze Generation Wehrpflichtiger, insgesamt 18 Millionen, zu Verbrechern gestempelt werden", erklärte CDU-Fraktionschef Volker Schimpff. Der Historiker und Mueumswissenschaftler hält eine Ausstellung, die nachweislich mit falsch zugeordneten und verfälschten Bildern arbeite, für nicht zumutbar. Die Messestadt Leipzig habe eine derartige Ausstellung nicht verdient, sagte Schimpff.

Historiker rechnet mit eifrigen Unterstützern ab

Die schärfste Kritik kommt aber von dem Historiker Jörg Friedrich. In einem Aufsatz in der Berliner Zeitung rechnet er vor allem mit dem Zeitgeist ab, in dem diese Ausstellung seit 1995 gedeihen konnte. "Die akademische Lehre, die Kultusministerien, die Forschungseinrichtungen, das Verteidigungsministerium, die Bundeswehr, allen hat es die Sprache verschlagen. Derweil eroberte, von Bravorufen aus den Reihen der Medienredakteure getragen, die Hamburger Wehrmachtsausstellung den öffentlichen Raum."

Politik und Medien, schreibt der 1944 im Tiroler Kitzbühel geborene und in Essen aufgewachsene Friedrich, hätten diese Schau als "sensationelles Wissenschaftsprojekt" empfohlen. Landes- und Kommunalverwaltungen hätten den Besuch von Schulklassen organisiert, um den Schülern ein Geschichtsbewußtsein zu vermitteln. Dabei hätten die Jugendlichen eine Geschichte fürs Leben lernen können. "Was vier Jahre als historiographische Spitzenleistung gefeiert wurde", so Friedrich, "ist in den letzten zehn Tagen zu einem Machwerk geschrumpft. Unprofessionell, ignorant, tendenziös."

Jörg Friedrich schildert weiter, wie die drei Historiker Bogdan Musial, Kristián Ungváry und DieterSchmidt-Neuhaus seit etwa eineinhalb Jahren in den Redaktionen "antichambrierten", um ihre kritischen Analysen zu veröffentlichen. Vergeblich. Renommierte Historiker, bei denen sich die drei "Dissidenten" (Friedrich) Rat holten, hätten zwar die Richtigkeit ihrer Kritik bestätigt, von einer Veröffentlichung aber abgeraten. Bevor man den "Rechtsradikalen" Auftrieb gebe, sei es doch besser, sich direkt an die Ausstellungsmacher zu wenden. Wörtlich schreibt Friedrich: "Doch diese reagierten pampig. Kritik dünkte sie Lästerung. Wo sie einen Mucks gedruckt fanden, ließen sie ihre Anwälte juristische Fallgruben anlegen. Finanziell zumindest hatten sie den längeren Atem."

In Deutschland, konstatiert Friedrich, herrsche eine "Verdachtspsychologie" vor. Wer der "zwielichtigen Gestalt" des Wehrmachtssoldaten gerecht zu werden suche, "seinen Irrglauben, seine Härte und sein Martyrium aus dem Höllenschlund erklärt, der ihn umschloß", der wage sich an einen "Unberührbaren", schreibt der Historiker. Respekt bezeugt Friedrich in seinem Aufsatz einzig den Hochschulprofessoren Eberhardt Jäckel, Lothar Gall und Michael Salewski, die frühzeitig auf Fehler in der Ausstellung hingewiesen hätten. Ihr Widerspruch sei jedoch als "Luft" behandelt worden. "Der Mehltau der allgemeinen Andachtsstille hat ihre Stimme verschluckt."

Scharfe Kritik an der Tendenz der Ausstellung

Scharf ins Gericht geht Friedrich mit der gesamten Tendenz der Wehrmachts-ausstellung. "Die Parteilichkeit der Veranstaltung ist fingerdick, von niemandem zu übersehen und ihre eigentliche Attraktion." Wer nicht Näheres weiß, sei prinzipiell überzeugt, daß das von den Ausstellungsmachern bewußt vermittelte Bild des Wehrmachtssoldaten als eines "Orgiastikers des NS-Verbrechens" den historischen Tatsachen entspreche. Besonders die "Sachkundigen" auf Lehrstühlen, in Redaktionen und Lektoraten hätten sich gefreut, so Friedrich, daß hier "in vergröberter, doch desto wirksamerer Form das richtige Feindbild" inszeniert worden sei.


 
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