© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    45/99 05. November 1999


Staatsbürger wider Willen
von Alexander Schmidt

Seit Montag läuft die Werbekampagne der Bundesregierung, mit der der Doppelpaß für in Deutschland lebende Ausländern ein wenig schmackhafter gemacht werden soll. Doppelpaß macht doppelt Spaß, suggerieren die Plakate mit strahlenden Gesichern von potentiellen Deutschen, die irgendwie "typisch deutsch" sein sollen. Nur zum Zweck der Information der künftigen Doppelstaatler, heißt es in der offiziellen Stellungnahme der Ausländerbeauftragten Marieluise Beck (Grüne). Daß die für die Kampagne benötigten Steuergelder auch dafür verwendet worden sein könnten, um in vollendeter sozialdemokratischer Bürgernähe die öffentliche Meinung in eine bestimmte Richtung zu beeinflussen, schimmert sanft im Hintergrund durch.

Es ist hinlänglich bekannt, daß in der Werbung mehr und mehr psychologische Momente einfließen, die das Verhalten der Betrachter beeinflussen sollen. Wenn dies wirklich beabsichtigt wäre, hätte das nichts mehr mit der Informationsarbeit der Bundesregierung zu tun. Es wäre Wahlwerbung für die SPD auf Kosten der Allgemeinheit. Wer will, kann die aktuelle Kampagne auch in der Tradition der "Wir für den Doppelpaß"-Werbung mit Becker und Co. sehen, die für die damalige Bundesregierung fast zum Bumerang hätte werden können.

Die offensichtliche Notwendigkeit der Kampagne gibt in jedem Fall aber allen damaligen und heutigen Kritikern der Doppelstaatlichkeit recht, die sagten, daß das Erlangen des deutschen Passes nicht nach dem Gießkannenprinzip geschehen dürfe, sondern der Wille und die Eigeninitiative zur Integration zähle. Muß aber erst die Mehrheit der "doppelpaßfähigen" Bevölkerung mit Bitten und Betteln zu den Einwohnermeldeämtern geführt werden, damit sie den deutschen Paß annehmen, kann das nicht das Ziel einer abgeschlossenen Integration sein. Immerhin bedeutet die Aufnahme eines Passes, daß sich der Träger damit in ein Abhängigkeitsverhältnis seinem Staat gegenüber begibt, welches zur Folge hat, daß sich der Staat im Zweifelsfall auf seinen Staatsbürger verlassen können muß.

Ob dieses Verhältnis dann wirklich auf einer bilateralen Basis beruhen würde – der Staat stellt seinen Bürgern ebenso gewisse Rahmenbedingungen – sei dahingestellt. Vielmehr wird der Eindruck vermittelt, daß so neue Staatsbürger angeworben werden sollen. Der Wert eines Produktes wird aber nicht dann gesteigert, wenn man den Preis senkt, sondern wenn man ihn erhöht. Das gilt auch in gewissen Einschränkungen für die Staatsbürgerschaft. Dinge, die erkämpft werden müssen, werden auf lange Sicht hin mehr geachtet als aufgedrängte Geschenke.


 
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