© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    46/99 12. November 1999


LOCKERUNGSÜBUNGEN
Parteienfinanzierung
Karl Heinzen

Immer dann, wenn es gilt, die Versuche von wirtschaftlich Mächtigen zu würdigen, eine ihnen genehme Politik zu erkaufen, stellt sich heraus, wie unersetzlich Volksparteien für die Aufrechterhaltung demokratischer Minimalstandards in Wahrheit sind. Je bescheidener eine politische Gruppierung nämlich dimensioniert ist, desto niedriger sind auch die Etats, die benötigt werden, um eine wirksame Kontrolle über sie auszuüben. Eine kleine Partei kann man für wenig Geld kaufen, für eine große Partei muß man schon deutlich mehr über den Tisch schieben. Eine Volkspartei schließlich ist eigentlich unbezahlbar. Ihr wünschenswerter Finanzbedarf ist üblicherweise zu groß, als daß er von einem Interessenten allein gedeckt werden könnte. Dessen Anliegen wiederum sind in der Regel so eingegrenzt, daß es für ihn keinen Nutzen bringt, das gesamte Spektrum politischer Dienstleistungen abzurufen.

Was in der Theorie fast wie ein Dilemma aussieht, erweist sich in der Praxis unseres demokratischen Gemeinwesens aber selten als ein Hindernis, das Wirtschaft und Politik davon abhalten könnte, zueinander zu finden. In den fünfzig Jahren der Erfolgsgeschichte unseres Staates hat sich herauskristallisiert, was geht und was nicht geht. Durch schlechte Vorbilder gewarnt, verschleiert man nur das, was glaubwürdig verspricht, wirklich dauerhaft verschleiert werden zu können. Wer diese Regel bricht, kann nicht auf öffentliche Solidarität zählen.

Die Bürger hingegen belohnen den Ehrenkodex eines die Integrität nicht zum Selbstzweck verkommenen lassenden Finanzierungsverhaltens der Politiker mit ihrem Einverständnis in die Sicherstellung der materiellen Grundvoraussetzungen ihrer eigenen Partizipation am öffentlichen Leben: Wer ein Angebot ohne weitere Eigenleistung wählen will, muß akzeptieren, daß dieses schließlich bezahlt werden muß.

Ist dieses Angebot aber zu vielfältig und sind die einzelnen Anbieter zu klein, ist dem Parlamentarismus nicht gedient: Die Volksvertretung ist überfordert, wenn sie die widerstrebenden Interessen ausgleichen soll, die aufgrund ihrer Finanzierungsbeiträge erwarten dürfen, ernst genommen zu werden. In einer Demokratie mit vitalen Volksparteien nehmen ihr diese die undankbare Aufgabe einer derartigen Koordination weitestgehend ab. Der Wähler entscheidet mit seiner Stimme, welche von ihnen für einen bestimmten Zeitraum in der Versteigerung der politischen Positionen die Anfangsgebote besonders hoch ansetzen kann. Wer hier nicht zum Zuge kommt, hat immer noch die Möglichkeit, zu günstigeren Konditionen eine Politikoption auf das zukünftige Regierungsverhalten der heutigen Opposition zu erwerben. Die Solidität unserer politischen Ordnung gründet also nicht nur in ihrer starken Stellung gegenüber dem Endverbraucher, sondern auch in ihrer Sensibilität zur Kapitalseite hin: Wer in Politik investieren möchte, findet immer einen Partner.


 
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