© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    46/99 12. November 1999


Wehrmachtsausstellung: Reemtsma verkündet Moratorium
Grandios gescheitert
Richard Stoltz

Viereinhalb Jahre ist die Wehrmachtsausstellung des Hamburger Instituts für Sozialforschung quer durch deutsche Lande gezogen, von Kiel bis München, von Saarbrücken bis Dresden. In der vergangenen Woche nun verkündete Institutsleiter Jan Philipp Reemtsma auf einer Pressekonferenz das vorläufige Ende der umstrittenen Bilderschau. Mit der Entscheidung zog Reemtsma die Konsequenz aus Fälschungsvorwürfen, die zuletzt der polnische Historiker Bogdan Musial, sein ungarischer Kollege Kristián Ungváry und der deutsche Historiker Dieter Schmidt-Neuhaus unabhängig voneinander erhoben hatten (die JF berichtete).

Die Ausstellung werde für mindestens drei Monate nicht mehr gezeigt werden, erklärte der Gründer und Mäzen des Instituts für Sozialforschung. Während dieser Zeit soll ein unabhängiges Experten-Gremium alle Texte, Fotos und Bildunterschriften überprüfen. "Die Ausstellung hat einen außerordentlichen Glaubwürdigkeitsverlust erlitten", sagte Reemtsma. Dieser sei nicht durch Nacharbeiten oder Erläuterungen am Detail wettzumachen. "Es besteht das Risiko, daß die These der Ausstellung durch den Glaubwürdigkeitsverlust beschädigt wird."

An der zentralen Aussage der Ausstellung aber will der Tabakerbe und Multimillionär festhalten. Danach sollte die Schau einen "Vernichtungskrieg" der Wehrmacht zeigen, der sich von anderen Kriegen unterschieden habe. "Hier wurde nicht gegen eine fremde Armee gekämpft, sondern gegen ein ganzes Volk, namentlich gegen die jüdische Bevölkerung", behauptete Reemtsma noch Anfang dieser Woche gegenüber dem Nachrichtenmagazin Focus. In einem Interview mit der Welt hatte er zuvor betont, der Ausstellung liege bewußt ein weit gefaßter Begriff von Verbrechen zugrunde. Danach wollten die Ausstellungsmacher gerade auch jene Verbrechen zeigen, die der Wehrmacht "im Rahmen ihrer institutionellen Verantwortung zuzurechnen" seien.

Ein gerüttelt Maß an Mitschuld an dem Desaster für sein Hamburger Institut schreibt Reemtsa offenbar dem Leiter der Ausstellung, Hannes Heer, zu. Für die inzwischen eingetretene Distanz zu dem früheren DKP-Aktivisten und linken Ideologen spricht Reemtsmas Äußerung gegenüber dem Focus, während der Überarbeitungsphase habe die Ausstellung keinen Leiter. Zu der Frage, was danach sein werde, wollte er sich sich nicht äußern.

Unterdessen haben sich mehrere Historiker dafür ausgesprochen, die Bilderschau endgültig aus dem Verkehr zu ziehen. Wenn eine Ausstellung "in dieser Weise unglaubwürdig" geworden sei, müsse man die Tür zumachen, sagte der Frankfurter Geschichtsforscher Lothar Gall dem Fernsehsender 3Sat. Die Ausstellung sei von Grund auf falsch angelegt, weil es immer sehr fragwürdig sei, die Faktenlage an Bildern abzulesen, erklärte Gall.

Für eine dauerhafte Schließung plädieren auch die Bonner Historiker Klaus Hildebrandt und Hans-Peter Schwarz. "Die Einzelheiten und die Tendenz der Ausstellung gebieten es nun, daß sie unter den Gesichtspunkten der Redlichkeit geschlossen wird", sagte Hildebrandt zur Welt am Sonntag. Die Ausstellung habe sich durch ihre Fehlerhaftigkeit diskreditiert. Wenn ein normales wissenschaftliches Institut derart begründet kritisiert worden wäre, wäre die logische Konsequenz, die Ausstellung zu schließen, erklärte auch Hans-Peter Schwarz.


 
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