© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    46/99 12. November 1999


Österreich: Die Anti-Haider-Demo wird selbst von FPÖ-Gegnern kritisiert
Marsch der Betroffenen
Arne Schimmer

Am Freitag wird auf dem Wiener Stephansplatz die größte Anti-FPÖ-Demonstration seit dem Januar 1993 stattfinden, als 250.000 Menschen in der Wiener Innenstadt kerzenhaltend gegen das Ausländervolksbegehren der FPÖ demonstrierten. Diesmal steht die SPÖ-nahe Demo "Keine Koalition mit dem Rassismus" unter dem Slogan "Wir sind Österreich" – ganz so, als sei Österreicher sein ein exklusives Gesinnungsrecht.

Anders als vor knapp sieben Jahren weiß man diesmal nicht so recht, gegen wen oder was man demonstriert, ob gegen den FPÖ-Wahlerfolg oder die 1,3 Millionen FPÖ-Wähler, wie Elfriede Jelinek, die in einem Interview verlauten ließ, "demonstrieren" sei "die einzige Sprache, die diese dumpfen, unartikulierten Leute verstehen". Silvio Lehmann, einer der Organisatoren der Veranstaltung, zog schon vor dem Aufmarsch eine erste zufriedene Zwischenbilanz: "Die Zurückdrängung von Jörg Haider läuft gar nicht schlecht – unter tatkräftiger Mithilfe des Auslands."

Die parteipolitische Instrumentalisierung der Veranstaltung durch die SPÖ und die aggressive Stoßrichtung gegen die FPÖ macht es den Kirchen, anders als 1993, diesmal unmöglich, die Veranstaltung offiziell zu unterstützen. Kardinal Christoph Schönborn, der von den Organisatoren ebenfalls als Redner eingeladen worden war, wird wegen der "parteipolitischen Konnotation" der Kundgebung nicht teilnehmen. Ähnlich äußerte sich sogar der Kommentator des Magazins Profil, Gernot Bauer, der anregte, daß sich die Veranstalter-Plattform statt "Demokratische Offensive" lieber "Anti-FPÖ-Wähler-Offensive" nennen sollte. Sein Fernbleiben von der Veranstaltung begründete Bauer im Profil mit deutlichen Worten: "Wer für einen Kampf gegen 1,2 Millionen FPÖ-Wähler ist, der sollte am 12. November demonstrieren. Wer für den Dialog mit FPÖ-Wählern und für eine scharfe, sachliche Auseinandersetzung mit der FPÖ – so mühsam beides auch ist – eintritt, der sollte der Veranstaltung fernbleiben. Andernfalls könnte man später wieder das Gefühl haben, ein gern gesehener Depp gewesen zu sein."

Derweil die Demonstranten auf dem Stephansplatz "dem Rassismus in Österreich mit roten Warnblinklichtern Einhalt gebieten" wollen, wie die Initiatoren der "Demokratischen Offensive" in ihrem Aufruf blumig formulierten, wird Haider am gleichen Tag im Dachfoyer der Redoutensäle der Wiener Hofburg eine Grundsatzerklärung zur Demokratie halten. Die zeitliche Übereinstimmung mit der Kundgebung sei rein zufällig, wie FPÖ-Generalsekretär Peter Westenthaler erklärte.

Westenthaler kündigte in einem Gespräch mit der Wiener Tageszeitung Standard eine Klage der FPÖ gegen den Präsidenten der israelitischen Kultusgemeinde (IKG) in Wien, Ariel Muzicant ,an. Muzicant hatte nicht nur behauptet, daß Haider die Lüge als politisches Stilmittel verwende, sondern die FPÖ insgesamt in die Nähe von Gewalttaten und Übergriffen gegen Juden gerückt. Deshalb wird in der FPÖ über eine Sammelklage der FPÖ-Mitglieder gegen Muzicant nachgedacht. "Gewisse Grenzen dürfen einfach nicht überschritten werden", so Westenthaler. Dies sei aber der Fall, wenn eine demokratische Partei, ihre 6.000 Funktionäre und ihre 1,2 Millionen Wähler pauschal verunglipft und in die Nähe von Gewalt gerückt würden.

Haider plant indessen einen Besuch in Israel, um dort ihm gegenüber bestehende Vorbehalte abzubauen. Diese Absicht äußerte der FPÖ-Vorsitzende in einem Interview mit der Jerusalem Post, das Haider bei seinem Besuch in New York anläßlich des Marathons gab. Zum wiederholten Male betonte Haider, weder Nazi noch Neonazi oder Antisemit zu sein. Am Marathon selbst konnte sich Haider inmitten seiner Leibwächter unbehelligt beteiligen, nur zwei österreichische Studenten demonstrierten im jüdischen Stadtteil Williamsburg mit Transparenten, auf denen einfallsreiche Aufschriften wie beispielsweise "Haider is not a running gag" oder "Let's stop Haider before it is too late" zu lesen waren.


 
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