© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    46/99 12. November 1999


Europapolitik: Das Verhältnis zwischen der FPÖ und der Lega Nord bleibt schwierig
Jörg Haider bei Umberto Bossi in Vicenza
Jakob Kaufmann

FPÖ-Chef Jörg Haider soll bei einer Veranstaltung der separatistischen Lega Nord in Vicenza auf die Bühne getreten sein und "Es lebe Padanien!" gerufen haben, wie italienische Zeitungen jetzt zu berichten wußten. Die österreichische Presse widersprach dieser Meldung bald, obwohl sie es bei der Berichterstattung über den Freiheitlichen-Chef sonst nicht so genau nimmt. Er habe lediglich "Glückwünsche" überbracht, berichtete das linksliberale Nachrichtenmagazin Profil und zitiert dazu die Pressereferentin des Lega Nord-Vorsitzenden Umberto Bossi: "Haider gab uns die Ehre, bei einer unserer Veranstaltungen anwesend zu sein, und unterstützt voll und ganz unser Projekt." Bossi gab selbst an, daß es bei Gesprächen zwischen ihm und dem Österreicher Haider Übereinstimmung in den Fragen Globalisierung und Zuwanderung gegeben habe. Profil ließ sogar den Berater des Obmanns Andreas Mölzer zu den Lega-Nord-Kontakten zu Wort kommen. Dieser kommentierte die Berichte über die Vorgänge in Vicenza: "Ich weiß wirklich nicht, was da los ist. Ich habe den Eindruck, man versucht Dinge zu konstruieren, die man ihm dann anhängt."

Haider und der Separatismus in Italien – da brodelt die Gerüchteküche bereits seit seinem Wahlerfolg am 3. Oktober. Unbestätigt blieb bislang die Behauptung, der Freiheitlichen-Obmann habe die Südtirolfrage für erledigt erklärt, wie der Corriere della Sera schrieb (JF berichtete). Widerlegt sind zudem Meldungen, sein Erfolg stärke den Südtiroler Separatismus und habe die Vorsitzende der Union für Südtirol, Eva Klotz, zu "Anschluß-Äußerungen" veranlaßt, (JF berichtete darüber ebenfalls.) Die Anhäufung von falschen Meldungen läßt hingegen Mölzers Vermutung, daß man Dinge zu konstruieren versuche, die man Haider anhängt, immer plausibler erscheinen. Das Thema FPÖ und Lega Nord ist indes brisant – gerade auch in Südtirol. Es ist zwar nicht mehr so, wie der Südtiroler Journalist Artur Oberhofer in seinem Buch "Mordfall Waldner" spekulierte: "Über die Bossi-Schiene und ganz konkret über die Bildung einer gemeinsamen Fraktion im Europaparlament hätte der international weitgehend isolierten Haider-Partei ein erster Achtungserfolg im Kampf gegen die Strategie der Ausgrenzung gelingen können." Die Freiheitlichen sind zwar immer noch isoliert, aber inzwischen trotz einiger Affären in der Vergangenheit innenpolitisch gestärkt. Die Lega Nord hat hingegen durch die Auflösung des padanischen Parlaments an Glaubwürdigkeit verloren. Fortgesetzte interne Richtungsstreitigkeiten, die sich auch in den wechselnden Bündnissen bemerkbar machten, schwächten die Lega. Die Einführung des Verhältniswahlrechts in Italien wird die Bedeutung der einstigen Regierungspartei weiter marginalisieren. Eine Verbindung der Sezessionisten mit den Freiheitlichen stellt jedoch seit der ersten Begegnung zwischen Lega-Nord-Vize Roberto Maroni und Bundesobmann Jörg Haider am 15. November 1996 im Rahmen des Landesparteitags der Südtiroler Freiheitlichen im Bozener Waltherhaus ein irredentistisches Trauma dar. Damals sprachen die beiden allein, nur noch ein Dolmetscher war zugegen, über eine Koalition im Europäischen Parlament – zusammen mit anderen regionalistischen, ethnischen und EU-kritischen Parteien in anderen europäischen Ländern. Offenbar hat Jörg Haider jetzt in Vicenza sein Koalitionsversprechen wiederholt. Es gibt Übereinstimmungen in den politischen Zielen der beiden, jedoch unterscheiden sich ihre Positionen in einigen Punkten auch wieder. Die FPÖ fordert seit Jahren am deutlichsten den Beitritt zur Nato, während die Lega im Kosovo-Krieg eine Nato-kritische, ja geradezu anti-amerikanische Haltung eingenommen hat. Der Journalist Oberhofer bezeichnet das Treffen Haider–Maroni von 1996 als "erstes Anzeichen einer politischen Verlobung", die wahrscheinlich "aus staatsschützerischer Sicht unter keinen Umständen in eine Hochzeit ausarten sollte". In seinem Enthüllungsbuch, in dem er unter anderem den politischenHintergründen der Mordanklage gegen Peter Paul Rainer nachgeht, zitiert er aus einem Dossier Rainers, um seiner Vermutung Indizien zugrunde zu legen. Dieser war nach fast zweijähriger Haft Ende vorigen Jahres vom Vorwurf des Mordes am Südtiroler Landtagsabgeordneten Christian Waldner freigesprochen worden. In der Nacht, in der er verhört wurde, sollen die Polizeibeamten Alexander Zelger und Karl Erlacher gezielt nach der Begegnung zwischen Haider und Maroni gefragt haben und dabei der FPÖ unterstellt haben, paramilitärische Hilfe zu leisten. "Bestätigen Sie also, daß sich die Lega-Miliz mit der Südtiroler Schützenführung traf, um die Zusammenarbeit mit der FPÖ abzusprechen und koordinierte Schritte zur Destabilisierung des Staates Italien zu vereinbaren?" soll Erlacher gefragt haben. Sollten diese Angaben der Wahrheit entsprechen, dann zeichnet sich vor allem eine Krise mit dem italienischen Nachbarn ab.


 
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