© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    46/99 12. November 1999


CD: Pop
Augenzwinkern
Holger Stürenburg

Anfang der achtziger Jahre, zu Zeiten von Nachrüstung und Friedensbewegung, existierten viele deutsche Bands, die musikalische Stellungnahmen zu pazifistischen und ökologischen Themen abgaben. Während jedoch Deutschrocker wie Wolf Maahn, BAP oder Klaus Lage diese linksalternativen Themen meist ohne jede Spur von Humor darboten, gab es eine Band aus Hessen, die zwar intensiv im Öko-Milieu verhaftet war, aber ihre Müsli-Klientel immer wieder mit einem deutlichen Augenzwinkern betrachtete und häufig auf satirische Weise parodierte und kommentierte: Die Rodgau Monotones, eine achtköpfige Rhythm ‘n‘ Blues-Band aus jenem kleinen Frankfurter Vorörtchen Rodgau, konnten zu Deutsch-Rock-Glanzzeiten Mitte der Achtziger mit Rap-Parodien wie "Erbarmen – Die Hesse komme!", Zeitgeistbetrachtungen der Sorte "Frach mich net" ("Ich hab‘ mich wirklich Tag und Nacht gequält, sogar einmal SPD gewählt: Alles wegen Dir!") und vor allem witzigen Betrachtungen des linksalternativen Denkens und Handelns ("Chamäleon", "Immer ohne mich" oder "Keine Lust zu tanzen") größere Erfolge, auch und gerade als Livekapelle, einfahren.

Die Rodgau Monotones wurden Anfang der achtziger Jahre von den Vokalisten Peter Ostenwold und Henny Nachtsheim gegründet, die mit provokativem Zwiegesang ihre Fans erfreuten. Nachdem sich Nachtsheim vor acht Jahren für eine Zweitkarriere mit dem peinlichen Comedyduo Badesalz entschied, sah es so aus, als ginge es mit den Rodgaus nicht mehr weiter wie bisher. Aber allen Gerüchten zum Trotz: die Band bestand weiterhin, minus Nachtsheim plus der stimmgewaltigen Sängerin Kerstin Pfau, die teilweise die früheren Vokalparts von Nachtsheim übernommen hatte.

Nun liegt die aktuelle CD der Rodgau Monotones vor: "Adrenalin" (USG Records) ist eine heftig rockende Scheibe mit fetten Bläsersätzen und bluesigen Gitarren geworden, ohne jegliche Anpassung an den musikalischen Zeitgeist: Noch immer lassen ZZ Top, Dr. Feelgood oder Johnny Winter bei den Eigenkompositionen grüßen, weiterhin wird in den Texten der Zeitgeist auf die Schippe genommen. Die besungenen Themen haben sich natürlich geändert: Nicht mehr Yuppies, Ökos, Alt-Hippies, Friedensdemos oder Müslifreaks sind das Thema der aktuellen Lieder, sondern heutige Modeerscheinungen: Börsenfetischisten ("Wo steht der Dax?"), Horoskope ("Ein gutes Jahr"), Schönheitswahn ("90-60-90") oder supercoole Versager ("Haldemaldeballflach"). Der Witz und Charme der Lieder sind jedoch noch genauso vorhanden wie vor 15 Jahren. Zwei "alte" Lieder haben es in Neufassungen auch auf "Adrenalin" geschafft: die lokalpatriotische Hymne "Erbarmen – die Hesse komme!" in einem (gottseidank nicht zu modisch geratenen) "Remix 2000" und die Ballade "Is nur Kino", einst 1985 auf dem bis dato besten Rodgau-Album "Wir sehen uns vor Gericht" erschienen.

Es ist einfach schön, endlich etwas Neues von den Rodgaus zu hören. Und das beste ist, daß sie tatsächlich dort angefangen haben, wo es zu Beginn der Neunziger zu Ende ging. Inwieweit "Adrenalin" jedoch die kommerziellen Erfolge früherer Platten erreichen kann, ist eher skeptisch zu betrachten. Falls die nachwachsende Generation jedoch genauso viel Humor hat wie einst zumindest einige der Ökos und Friedensfreunde, steht einem Comeback der hessischen Rockband nichts mehr im Wege.


 
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