© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    46/99 12. November 1999


Ausländerpolitik: Keine Rücksicht auf Grüne
Asyl nach Ermessen
Alexander Schmidt

Innenminister Otto Schily (SPD) hat seine Vorstellungen zur künftigen deutschen Asylpolitik präzisiert, die im Rahmen einer europäischen Harmonisierung an ein mittleres Niveau angeglichen werden solle. Damit stieß er auf Kritik von Grünen und der eigenen Partei. Schily griff die alte Unions-Forderung nach einer institutionellen Asylzusage nach Ermessen des Staates auf. Jedes Jahr kämen etwa 100.000 Flüchtline, erklärte Schily, von denen jedoch nur drei Prozent asylwürdig seien. "Da darf man wohl die Frage stellen, ob unser System besonders effizient ist", sagte der Innenminister in einem Interview der Berliner Zeitung.

Nach Zahlen der UNO wird weltweit ein Drittel aller Asylanträge in Deutschland gestellt. Trotz Applaus von der Union, die Schilys Schwenk als "Schritt in die richtige Richtung" (Thomas Schäuble) wertet und die Ausgestaltung des "Asyls im Grundgesetz durch eine einfachgesetzliche Regelung" mitträgt, stäßt er in den eigenen Reihen und besonders bei dem Koalitionspartner auf Unverständnis.

Die grüne Ausländerbeauftragte Marieluise Beck will "die Ursache seiner düsteren herbstlichen Eingebungen" nicht kennen und hält das Thema für bereits erledigt, weil nach einem EU Beschluß die europäische Linie gerade nicht in Richtungeines "Gnadenrechts" ginge. Dies, so Frau Beck weiter, habe auch Kanzler Schräder bestätigt. Ebenso sagte der innenpolitische Sprecher der SPD-Fraktion, Dieter Wiefelspütz, daß die SPD definitiv nicht beabsichtige, das geltende Asylrecht zu ändern.

Weitere Punkte, mit denen Schily nach den großen Zugeständnissen im Bereich der Einbürgerung die Bündnisgrünen verärgert, sind das Flughafenverfahren, die Frage der Rückführung von Asylanten in ihre Herkunftsländer und sein Ja zum beschränkten Zugang zur Schulbildung, der von dem Kinderhilfswerk Unicef kritisiert wurde.

Schily begründete seine Entscheidung damit, daß ein voller Zugang zur Schulbildung ein neuer Anreiz für Flüchtlinge sei, nach Deutschland zu kommen. Die Flughafenregelung, in der die Grünen eine Anderung der bisherigen Praxis erwartet hatten, werde weiterhin beibehalten, so Schily. Allerdings kündigte er Verbesserungen in der Unterbringungssituation am Frankfurter Flughafen an.

In der Frage der Rückführung strebt Schily eine "großzügige Handhabung der Stichtagslösung" an. Das hieße, daß zu bestimmten Zeitpunkten eine gewisse Anzahl von Flüchtlingen, die bestimmte Voraussetzungen erfüllen,

Deutschland wieder verlassen. Sollte sich für diesen Ansatz auf der Innenministerkonferenz keine Mehrheit finden Iassen, müsse die Bundesregierung einen Vorschlag erarbeiten, der dann im Bundestag vorgestellt würde. Die Konferenz der Innenminister wird zur Zeit ' von der Union dominiert, die eine sogenannte Stichtagslösung ablehnt.


 
Versenden
  Ausdrucken Probeabo bestellen