© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    47/99 19. November 1999


Mittelstand: Im Würgegriff der Globalisierung
Fusionsfieber
Eberhard Hamer

Der britische Konzern Vodafone will gegen den Willen des Mannesmann-Vorstandes die Aktienmehrheit an dem deutschen Kommunikationsanbieter erkaufen, um damit zur größten Mobilfunkgesellschaft der Welt zu werden. Ob es glückt, ist fraglich. Zumindest treibt die feindliche Übernahme während der Übernahmeschlacht die Kurse des Übernahmekandidaten Mannesmann in die Höhe, um die Aktionäre in Versuchung zu führen, ihre Aktien zu den erheblich über den bisherigen Kursen liegenden Kampfpreisen zu verkaufen. Seit etwa fünf Jahren ist weltweit ein Fusionsfieber unter den Aktiengesellschaften ausgebrochen wie Ende der zwanziger Jahre. Wie damals ist ein Konzentrationsfieber meist ein Anzeichen für eine Krise. Nach dem Zusammenbruch des hypertrophierten Sozialismus könnte es dann auch zur Krise eines hypertrophierten Kapitalismus kommen. Bisher hat sich ein solcher Machtkampf um Marktanteile mit Kartellen und Monopolbildungen vor allem national abgespielt.

Die nationalen Oligopole und Monopole stehen nun durch die EU-Harmonisierung und die Globalisierung unter neuer internationaler Konkurrenz, welche sie in ihren national beherrschten Märkten nicht mehr abwehren und ausschließen können. Nach dem Motto: "Was man nicht bekämpfen kann, muß man umarmen", entstand so eine neue Strategie der Markteroberung.

Neben diesen Marktanteils- und Marktmachtgründen hat das Fusionsfieber der großen Kapitalgesellschaften noch eine zweite Ursache: Je größer ein Konzern ist, mit desto größerer Einkaufsmacht kann er auf dem Markt operieren und dadurch Sonderkonditionen und Sonderrabatte erpressen. So haben die großen Supermarktketten durchschnittlich bis zu 17 Prozent günstigere Konditionen als die mittelständischen Einzelhändler erpressen können und hatten dadurch einen Marktvorteil, der zum Sterben von 240.000 selbständigen Einzelhändlern geführt hat, die zum Teil schlechtere Einkaufskonditionen bekamen, als die Supermarktkonzerne ihren Endverbrauchern anbieten konnten. Je stärker die Marktmacht, desto stärker die Einkaufsposition, desto stärker der Konzern.

Diese erst nur national erzielbaren Einkaufsvorteile wurden durch internationale Fusionen (Metro) zu internationalen Einkaufsvorteilen, praktisch also zu einer Super-Konzentrationsprämie auf höherem Niveau. Ein dritter Grund für das Fusionsfieber liegt in der unterschiedlichen nationalen Steuerpolitik. Wenn also die deutsche Firma Hoechst mit einer Gewinnsteuerbelastung von über 60 % sich mit der Firma Rhone Poulic verbindet (ca. 35 % Steuerbelastung) und dann den Firmensitz in das steuergünstigere Land verlegt, können dadurch Millionen- oder Milliardenbeträge an Steuern eingespart werden. Wer global in die steuergünstigeren Länder fusioniert, kann dadurch für seine Aktionäre und im Wettbewerb erhebliche oder fast alle Steuerkosten sparen. Die großen global players erringen nicht nur zusätzliche Marktmacht und Weltmacht, sondern auch zusätzliche Freiheiten von nationalen Steuern und Soziallasten. Gegen diese neue Globalisierungswelle gibt es praktisch keine wirtschaftspolitische Kontrollinstanz oder Macht mehr. Insofern hat die Weltwirtschaftsdimension der global players alle politischen Rahmen gesprengt, sich eine neue, von äußerer Kontrolle unabhängige Dimension geschaffen und herrschen die global players über die Politik.

Erfüllen nationale Regierungen und Staaten die Wünsche der global players nicht, wandern diese durch Verlagerung ihrer Produktionsstätten, ihrer Verwaltungen, ihrer Steuern aus, und lassen dabei die nationalen Staaten auf den gesellschaftlichen und sozialen Folgelasten sitzen (Arbeitslosigkeit). Das Fusionsfieber macht also für die Kapitalgesellschaften Sinn. Je größer eine Kapitalgesellschaft durch Zusammenschlüsse wird und je mehr sie durch Fusionen konzentriert, desto stärker wird ihre Marktmacht, ihre Einkaufsmacht, ihre Weltmacht, ihre Steuerfreiheit und ihre Unabhängigkeit gegenüber nationaler oder supranationaler Politik oder Kontrolle. Diese Globalisierungswelle bleibt aber den mittelständischen Inhaberunternehmen verschlossen. Personalunternehmen können nicht fusionieren, nur Kapitalgesellschaften. Die Vorteile letzterer hat der Mittelstand zu büßen. Wo nämlich die großen global players die Märkte vermachten, die Preise zu ihren Gunsten manipulieren und sich nationaler Steuerpflicht entzogen haben, müssen die mittelständischen Unternehmen als Zulieferer oder Abnehmer unter dieser Marktmacht entsprechend mehr leiden, werden sie im Einkauf immer stärker diskriminiert, und müssen mit immer höheren nationalen Steuern bluten.

Die Wirtschaftswelt teilt sich einerseits also durch Zusammenschlüsse immer stärker in wenige herrschende Weltkapitalgesellschaften mit weltweiten nationalen, nicht mehr angreifbaren Freiheiten. Dieser Konzentrationsmacht stehen andererseits Mittelständler hilflos und zunehmend diskriminiert gegenüber, ohne Fluchtmöglichkeiten und sind deshalb den nationalen Zugriffen um so mehr ausgesetzt.

 

Prof. Dr. Eberhard Hamer ist Leiter des Mittelstandsinstituts Niedersachsen.


 
Versenden
  Ausdrucken Probeabo bestellen