© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    47/99 19. November 1999


CD: Klassik
Heimliche Ehe
Julia Poser

Ein einmaliges Ereignis in der 400jährigen Geschichte der Oper geschah im Februar 1792 im Wiener Hoftheater: Die Uraufführung von Cimarosas Opera buffa "Il Matrimonio segreto" (Die heimliche Ehe) wurde auf allerhöchsten Befehl von Kaiser Leopold II. nach einer kurzen Verschnaufpause für die Sänger und Musiker komplett wiederholt. Die Begeisterung, die Cimarosas musikalische Komödie bei den Wienern und dem kaiserlichen Hof erregte, stellte Mozarts Erfolge weit in den Schatten.

Wer war dieser stürmisch gefeierte Domenico Cimarosa? Am 17. Dezember 1749 kam er in ärmlichsten Verhältnissen in Aversa bei Neapel auf die Welt. Dem begabten Zwölfjährigen wurde ein Freiplatz am Konservatorium von Neapel gewährt. Früh erregte er mit kurzen komischen Intermezzi, die zwischen zwei ernsten Opern eingeschoben wurden, erstes Aufsehen. Bald führte man seine komischen Opern nicht nur in Neapel, sondern in ganz Italien und sogar in Wien auf. Später ging er ganz nach Wien, wo er wenige Monate nach Mozarts Tod mit "Il Matrimonio segreto" den größten Triumph seines Lebens feiern konnte. Kaiser Leopold ernannte ihn zum Hofkapellmeister. Als er sich 1799 für Napoleon begeisterte und an einem Aufstand gegen den bourbonischen König von Neapel teilnahm, wurde er für vier Monate eingekerkert, später begnadigt, aber des Landes verwiesen. Cimarosa flüchtete nach Venedig, wo er 1801 starb – angeblich soll er auf Befehl der rachsüchtigen Königin Maria Carolina von Neapel vergiftet worden sein.

Von den 64 Opern, die Cimarosa komponierte, hat sich bis heute, von wenigen Ausnahmen abgesehen, nur sein Meisterwerk "Die heimliche Ehe" auf der Bühne gehalten. Lebendige Frische, sprudelndes Parlando, graziöse Arien und zwei mitreißende Aktschlüsse, die Mozarts "Figaro"-Finali ebenbürtig sind, machen die Begeisterung der Zuhörer verständlich.

Geronimo, ein reicher Kaufmann, möchte seine älteste Tochter Lisetta mit dem verarmten Grafen Robinson verheiraten. Der Graf aber findet die jüngere Tochter Carolina viel reizvoller. Diese ist jedoch schon heimlich mit Paolino, dem Gehilfen des Kaufmanns verheiratet. Die verwitwete Schwester Geronimos, Fidalma, hat auch ein Auge auf Paolino geworfen. Paolino rät zur Flucht. Zum guten Ende wird dem heimlichen Ehepaar verziehen, und der Graf arrangiert sich mit Lisetta – und ihren 100.000 Scudi Mitgift.

In einer bezaubernden Aufnahme der Firma ARTS (47117-2) können wir das kaiserliche "Da capo" nachempfinden. Susan Patterson versteht es bestens, der Carolina zärtliche, abweisende oder auch ironische Töne zu geben. Ihren heimlichen Ehemann singt William Matteuzzi mit strahlend hellem, höhensicheren Tenor. Seiner Aufforderung zur Flucht "Pria che spunti in ciel l‘aurora" (Ehe die Morgenröte erscheint) kann wohl keine Frau widerstehen. Den tauben Geronimo bringt Alfonso Antoniozzi mit würdigem Bass. Deutlich verleiht Gloria Banditelli ihrem Ehewunsch Ausdruck: "Con un marito meglio si sta" (Mit einem Mann geht‘s besser). Stets ein Garant für formvollendete Basskultur ist Petteri Salomaa als Graf. Janet Williams zeigt sich als köstlich überspannte Lisetta.

Das Orchestra of Eastern Netherlands wird von Gabriele Bellini frisch und schwungvoll dirigiert. Ihm gelingt eine Aufnahme, die auch dank ihres günstigen Preises (unter 35 Mark für drei CDs!) ein ideales Weihnachtsgeschenk ist.


 
Versenden
  Ausdrucken Probeabo bestellen