© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    48/99 26. November 1999


Oper: "Aida" im Opera House in Kapstadt
Enthusiastischer Jubel
Julia Poser

Wenn es in Deutschland kalt und ungemütlich wird, dann verwandelt der südafrikanische Frühling das Kapland in ein einziges Blütenmeer: Rot leuchtet der afrikanische Flammenbaum, zart violett der Kapflieder, und die weiten Ebenen sind von einem orangen, roten und violetten Teppich bedeckt. Flora und Fauna entzücken den Besucher dieses Teiles der Welt, von dem die Einwohner sagen, daß es Gottes Meisterwerk geworden ist.

Aber auch der Opern- und Ballettliebhaber wird freudig überrascht sein vom hohen Niveau, das er im Kapstädter Nico Opera House vorfindet. Einer neuen Inszenierung von Verdis "Aida" dankte das Premierenpublikum mit enthusiastischem Jubel. Hatte man sich in früheren Jahren teure Solisten aus Europa geholt, so bestand, von einer Ausnahme abgesehen, das ganze Ensemble aus südafrikanischen schwarzen und farbigen Sängern. Und welch ein reiches Potential an großartigen Stimmen besitzt Südafrika!

Der junge Kapstädter Sidwill Hartman begeisterte als Radames durch strahlende Höhen, volles Volumen, Kraft im Fortissimo, geschmeidige Registerwechsel und warme Pianotöne – er hat alles, was einen guten Tenor ausmacht. Die Pharaonentochter Amneris wurde von Sibongile Khumalo fulminant gesungen: Eine dunkel lockende Stimme voll imponierender Autorität und vokaler Brillanz. Virginia Davids in der Partie der gefangenen Königstochter Aida zeigte eine volltönende mittlere Lage, zarte Piani, tendierte jedoch in der Höhe zu forciertem Tremolo. Manch großes Opernhaus dürfte das Nico um Fikile Mvinjelwa beneiden: Ein charismatischer Sängerdarsteller, der den gefangenen Amonasro mit mächtigem Baß sang. Der deutsche Baß Thomas Thomaschke als Hoher Priester und der hervorragende große "vielfarbene" Chor vervollständigten das ausgezeichnete Ensemble.

Dem Ausstatter Peter Cazalet gelang es trotz schwacher Finanzen mit terracottafarbenen gewaltigen Säulen und Stufen die Paläste und Tempel des Ägypten um 1200 v.Chr. hervorzuzaubern. Die Beleuchtung von Pieter de Swardt gab den einzelnen Szenen eine stimmungsvolle Atmosphäre. Christine Crouse inszenierte Verdis meistgespielte Oper in einer überaus packenden und berührenden Weise. Nur auf die Tänzer des Jazz-Art Dance Theatre, die sich im Tempelballett ohne Rücksicht auf die Musik in zuckenden Bewegungen verrenkten, hätte man lieber verzichtet.

Der Berliner Dirigent Rheinhard Schwarz führte mit Schwung und Eleganz das glänzend disponierte Capetown Philharmonic Orchestra – wunderbar die Streicher – in den prachtvollen Arien, den lyrischen Duetten, großen Chorszenen und im mitreißenden Triumphmarsch.

Manch deutscher Besucher war dankbar für eine authentische "Aida", nachdem er zu Hause schon so manchen modernistischen Mißgriff erdulden mußte.


 
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