© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    50/99 10. Dezember 1999


Spendenaffäre: Altkanzler Kohl führte die CDU wie der Pate einer sizilianischen Familie
Palermo am Rhein
Dieter Stein

Helmut Kohl scheint die CDU wie ein Pate aus Palermo geführt zu haben. Zwar nicht in Geigenkoffern, sondern auf professionell verwalteten schwarzen Konten, wurden Gelder an den zuständigen Gremien der Partei vorbeigeschleust und unter Mitgliedern der "Familie" verteilt. Wie dies mit den ethischen Grundvorstellungen der Christdemokraten zu vereinbaren ist, bleibt ein Rätsel.

Kohl, der Krisen stets intelligent ausweichen oder sie ins schier endlose verzögern konnte, wird nun von den Ereignissen überrollt. Das Kartenhaus einer von vorne bis hinten abenteuerlichen Parteifinanzierung bricht in sich zusammen. Nachdem Kohl vor einem Jahr als Parteivorsitzender abgelöst wurde, versuchten im Apparat der Partei verbliebene Getreue noch bis zuletzt, wichtige Informationen der nun amtierenden Führung unter Wolfgang Schäuble vorzuenthalten, um den "Alten" zu schützen. Das staatsanwaltliche Vernehmungsprotokoll des CDU-Steuerprüfers Weyrauch vom 23. November wurde vom Hauptabteilungsleiter Verwaltung in der Bundesgeschäftsstelle, Terlinden, abgefangen und an Kohl direkt weitergegeben.

Die Medien haben bereits in den vergangenen Tagen berichtet, unter welchen Umständen Schäuble erfahren mußte, daß Kohl bereits vor ihm im Besitz dieses brisanten Vernehmungsprotokolls war. Terlinden wurde innerhalb von Minuten suspendiert, die Absetzung des Kohl-Intimus wird allgemein als endgültiger Bruch zwischen dem alten und neuen Vorsitzenden der CDU angesehen. Kohl hatte sich auch weiterhin als Familienoberhaupt angesehen, der die Fäden in der Hand hält. Diese sind nun zerrissen, die Partei wird von Wirtschaftsprüfern und Steuerfahndern durchleuchtet.

Die Praktiken, derer sich Kohl in der CDU bedient hat, dürfte sich kein Handwerker herausnehmen. Er würde haften und sein Laden bei der nächsten Betriebsprüfung geschlossen. Es bleibt abzuwarten, ob Kohl höchstpersönlich für den gesetzwidrigen Umgang mit Parteispenden zur Rechenschaft gezogen wird. Es ist fraglich, welches Interesse daran die übrigen Parteien haben, die ebenfalls gegen Gesetze verstoßen haben. Schon hat die SPD-Schatzmeisterin Wettig-Danielmeier eingeräumt, daß ihre Partei wie die CDU Spenden über 20.000 Mark "gestückelt" empfangen hat, um den Spender zu verschleiern.

Die durch ein Ermittlungsverfahren gegen den ehemaligen CDU-Schatzmeister Walther Leisler Kiep ausgelöste Spendenaffäre zieht nun immer weitere Kreise. Es darf bezweifelt werden, ob mit einer "Ethikkommission" der kriminellen Spendenpraxis beizukommen ist.

Es stellt sich grundsätzlich die Frage: Müssen Parteien über derart große Apparate verfügen? Warum soll die CDU, die 1997 durch Mitgliedsbeiträge 101 Millionen und durch Spenden 33,8 Millionen Mark eingenommen hat, darüber hinaus Anspruch auf 73 Millionen Mark staatliche Mittel haben? Das gleiche gilt für alle anderen Parteien.

Wie im wirtschaftlichen, so stellt sich auch im politischen Sektor die Frage der Deregulierung. Politische Bildung, öffentliche Information leisten Medien im Grunde bestens und sie finanzieren sich privatwirtschaftlich nach dem Prinzip von Angebot und Nachfrage. Es ist überflüssig, die Bürger zusätzlich mit staatlich subventionierter Parteipropaganda zu desinformieren. Es hätte auch niemand etwas gegen eine lineare Abrüstung unsinniger und monströser Wahlkampfschlachten einzuwenden, bei denen tonnenweise Altpapier produziert und die Straßen verschandelt werden.

Wie der Parteienkritiker Hans-Herbert von Arnim richtig festgestellt hat, so haben die Parteien sich "den Staat zur Beute" gemacht. Die Parteien müssen also durch öffentlichen Druck systematisch in ihrem Einfluß zurückgedrängt, ihre Finanzmittel beschnitten, ihre Befugnisse eingeschränkt oder gestrichen werden. Demgegenüber müssen die Bürgerrechte, die Möglichkeiten direkter Demokratie und politischer Mitwirkung ohne Umwege ausgebaut, die Unabhängigkeit des frei gewählten Abgeordneten gestärkt werden.

Die Zukunft der CDU liegt im Ungewissen. Die Strafzahlungen, die der Bundestag hoffentlich kräftig veranschlagen wird, werden die Partei schwächen. Sie werden aber diejenigen in der Union stärken, die Abschied nehmen wollen von der Okkupation des Gemeinwesens durch bevormundende Parteien und die für eine freiheitliche Reform und Stärkung der durch Repräsentationsdefizite geschwächten parlamentarischen Demokratie eintreten.


 
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