© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    51/99 17. Dezember 1999


Wie die CDU in Nordrhein-Westfalen die Sprache ihrer Mitglieder regelt
Die Macht des Wortes
Klaus Meyer

In den vergangenen Tagen erhielten CDU-Funktionäre in Nordrhein-Westfalen Post ihres CDU-Landesvorsitzenden Jürgen Rüttgers "nur für den internen Gebrauch", in der ihnen nicht nur vorgeschrieben wird, was sie plakatieren müssen, sondern auch, was sie sagen dürfen. Bis zur Landtagswahl am 14. Mai 2000 dürfen CDU-Mitglieder keineswegs reden, wie ihnen der Schnabel gewachsen ist, sondern müssen sich an Sprachregeln halten.

Als Rüttgers-Gehilfe und Sprachexperte führt der CDU-Generalsekretär Herbert Reul in dem Prospekt so eindrucksvoll aus, worum es geht, daß er hier fast in voller Länge wiedergegeben werden soll: "Die Macht des Wortes ist gerade in der Politik unumstritten. Manche von uns glauben, immer mit unterschiedlichen Worten ausdrücken zu müssen, was man meint. Genau das Gegenteil hat in der Kommunikation durchschlagende Wirkung: die ständige Wiederholung. In zahlreichen Reden und Diskussionen wollen wir meist wenige wichtige Inhalte transportieren, sprechen allerdings mit unterschiedlichen Formulierungen. Wir alle wissen, daß dies falsch ist. Meine Bitte ist, daß wir uns auf wenige Schlüsselformulierungen festlegen, die jeder von uns in möglichst jedem politischen Gespräch einbaut. Ich bitte Sie eindringlich, diese wenigen Formulierungen als festen Bestandteil in Ihren politischen Wortschatz mit aufzunehmen."

Schließlich werden die folgenden Redewendungen mitgeteilt, deren Schlichtheit und Durchschlagskraft wirklich beeindruckend ist: "Die NRW-CDU ist die neue Nr. 1 im Westen", "Die SPD ist ablösungsreif", "Die Clement-SPD ist unfair", "Die Rüttgers-CDU verhält sich fair".

Reul will die CDU-Basis ab sofort mit regelmäßigen "Wording-Informationen" versorgen. Dann können auch aktuelle Formulierungen aufgenommen werden, wie zum Beispiel "Die NRW-CDU hat keine Schwarzkonten". Hoffentlich verschluckt Reul selbst nicht manche wichtige Silbe, denn im Landtag spricht er immer so schnell, daß man ihn kaum verstehen kann.

Wenn man also in den kommenden Monaten bis zur Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen Menschen beobachtet, die vor sich hinbrabbeln: "Die SPD ist unfair", "Die CDU ist fair", so handelt es sich keineswegs um Berufsdemonstranten, die der neuen "Mitten im Leben"-CDU ein bißchen Flair einhauchen sollen, sondern um wahlkämpfende CDU-Mitglieder.

Man sollte sie in aller Ruhe ihre auswendig gelernten Sprüche aufsagen lassen und sie nicht durch Zwischenfragen irritieren. Sonst könnte es passieren, daß sie das schwerste Geschütz aus dem Spracharsenal von Rüttgers und Reul auffahren: "Unter Rau wäre das nicht passiert!"


 
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