© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    15/97  04. April 1997

 
 
Katholizismus in Parteiprogrammen eher skurril
Kämpferisches Christentum?
Meinungsbeitrag
von Andreas Mölzer

Die Zeiten, da ein katholischer Kleriker wie Ignaz Seipel die heimische Innenpolitik dikierte, gehören längst der Vergangenheit an. In der Zweiten Republik hat sich die römische Klerisei in parteipolitischer Absenz geübt, und das christlich-konservative Lager selbst hat auf das "hohe C" im Parteinamen verzichtet. Daß Kardinal und Bischöfe von der Kanzel keine Wahlempfehlungen mehr aussprechen, sich in Hirtenbriefen zu tagespolitischen Fragen eigentlich nicht mehr äußern, wird allenthalben als wohltuend empfunden. Dennoch wissen die Parteistrategen aller bedeutenderen politischen Gruppierungen des Landes, daß christliche Kultur und weitgehend katholisches Lebensgefühl trotz stetig wachsender Zahl an Kirchenaustritten ein zu kalkulierender Faktor bei der Gewinnung von Wählerstimmen bleibt. Bruno Kreisky hat nicht umsonst die Katholiken des Landes eingeladen, "ein Stück Weges" mit ihm zu gehen. Seine mehr als ein Jahrzehnt haltende absolute Mehrheit wußte der Sozialdemokrat durch ein Bündnis mit Liberalen und auch mit katholischen Kräften des Landes zu behaupten. Und eine, seit mehr als einem Jahrzehnt nicht gesund–, aber jedenfalls schrumpfende ÖVP, hofft daß dieser Vorgang spätestens bei Erreichen der katholischen Kernschichten gestoppt werden kann. Zuguterletzt sind nunmehr auch Jörg Haiders Freiheitliche dabei, sich den katholischen Faktor im Lande im Zuge der Stimmenmaximierung nutzbar zu machen.

Der historische Anti-Klerikalismus des nationalliberalen Lagers, zurückgehend auf Georg Ritter von Schönerers "Los von Rom"-Bewegung, ist längst obsolet. Die Erinnerung daran, daß zwischen "Nationalen" und "Klerikalen" mindestens genausoviel Haß und latenter oder offener Bürgerkrieg geherrscht hat wie zwischen "Rot" und "Schwarz" in den 30er Jahren, ist nur mehr freiheitlichen Fundamentalisten bewußt. Den zeitgeistgerecht ahistorischen Machern der neuen FPÖ sind solche Fronten der Vergangenheit nicht einmal lästig, sie sind ihnen schlicht nicht bewußt. Darüber hinaus gibt es realpolitisch so etwas wie ein wertkonservatives Abwehrbündnis gegenüber den Großinquisitoren der political correctness. Dies verbündet wertkonservative Freiheitliche naturgemäß mit Katholiken und auch Bereichen des klassischen sozialdemokratischen Wählerpotentials. Selbstverständlich ist es aus parteitaktischer Sicht durchaus legitim, auch entsprechende Signale in diese Wählerbereiche zu senden. Parallel zu den entsprechenden Aktionen in Richtung auf das klassische sozialdemokratische Wählerpotential, den sogenannten "kleinen Mann" und herkömmliche Arbeiterschichten, wurden bereits in den vergangenen Jahren seitens der Haider-FPÖ verstärkt auch Signale in Richtung wertkonservative Katholiken gesendet.

Wer erinnert sich nicht daran, daß Jörg Haider sich als aktiven Katholiken und sonntäglichen Kirchgänger darstellte. Daß er – kurioserweise in Begleitung des "Mannes für’s Grobe" – in Privataudienz beim Papst weilte, daß er mit katholischen Hardlinern wie dem St. Pöltner Diözesanbischof Kurt Krenn nicht nur diskutierte, sondern auch Freundlichkeiten austauschte.

Nun soll das in Arbeit befindliche neue freiheitliche Parteiprogramm zumindest wenn es nach Absicht des Programmkoordinators Ewald Stadler geht, für ein "kämpferisches Christentum" eintreten. Darin wollen sich die Freiheitlichen als "Partner der Kirchen" im Streben um die Erhaltung der christlich-abendländischen Identität Österreiches präsentieren. Dies soll wohl nicht nur als Lockruf an katholisch motivierte Wähler verstanden werden, sondern sehr wohl auch als Bündnisangebot an kirchliche Kreise gegen die Zuwanderung fundamentalistischer Moslems und für das, was aus kirchlichen Kreisen unter dem Begriff Re-Missionierung Europas verstanden wird.

Diese Initiative dürfte auch innerhalb des freiheitlichen Lagers nicht auf völlig ungeteilte Zustimmung stoßen. Jener antikirchliche Affekt, der sich bei den Liberalen um Heide Schmidt immer wieder in diversen Forderungen wie etwa jener nach Abschaffung des Religionsunterrichts, der Kirchensteuer etc. manifestiert, findet sich auch in Teilen des nationalliberalen Kernbereichs der FPÖ. Dort wird argumentiert, daß es doch skurril sei, daß just die Freiheitlichen die letzten parteipolitischen Verfechter eines politisch kämpferischen Christentums sein wollten, nachdem sie bzw. ihre Vorläufer über Generationen gegen politischen Katholizismus gestritten hatten. Ebenso skurril wie die Tatsache, daß eben jene Freiheitlichen, die über Jahrzehnte gegen eine ethnisch und kulturell eigenständige "Österreichische Nation" anargumentiert hatten, nunmehr vorgeblich zu den Gralshütern des Österreich-Patriotismus mutiert sein wollen.

Religiöser Fundamentalismus feiert heute weltweit wenig fröhliche Urständ’. Die Trennung von Staat und Kirche indessen ist einer der grundlegenden Bestandteile westlichen Demokratieverständnisses geworden. Gewiß wollen Jörg Haiders Freiheitliche daran nicht rütteln. Ein sozusagen "sozio-kulturelles" Bekenntnis zu katholischem Lebensgefühl und christlicher Prägung von Land und Leuten wird man ihnen aber kaum verwehren können. Auch wenn dieses möglicherweise nicht zuletzt einem taktischen Kalkül entspringt…


 
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