© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    16/97  11. April 1997

 
 
FPÖ-Programmdiskussion: Erregung um Kirchenannäherung
Der gemeinsame Gegner verbindet
von Andreas Mölzer

Wie reimten die "Los von Rom"-Fanatiker Georg Ritter von Schönerers vor hundert Jahren so schön: "Ohne Juda ohne Rom bauen wir Germanias Dom". Deutschnationaler Antiklerikalismus basierend auf dem Kampf gegen Thron und Altar in der bürgerlichen Revolution von 1848 hatte seinen ersten Höhepunkt gefunden. Heute fordern Haiders Freiheitliche, gemeinhin als Erben des nationalliberalen Lagers verstanden, die Kirche auf, endlich "wehrhaftes Christentum" zum Schutze der abendländischen Wertordnung zu wagen.

Die Geschichte, ebenso aber die Ideologie müßte ein solches Bündnis eigentlich unmöglich machen: Georg Ritter von Schönerer wurde bereits zitiert, ebenso die Revolution von 1848. Der Kulturkampf in den letzten Jahrzehnten der Habsburger Monarchie, der am erbittertsten zwischen klerikalen und (national)liberalen Kräften an den Universitäten tobte, wirkt bis heute nach.

Kein Wunder, daß sich Bruno Kreisky und Friedrich Peter in der zweiten Republik so gut verstanden, kein Wunder auch, daß es bei den Freiheitlichen bis herauf zu Norbert Steger hieß: Im Zweifelsfalle lieber mit Rot als mit Schwarz. Eine freiheitliche Tradition übrigens, die Jörg Haider im Bedarfsfalle jederzeit aktivieren könnte, diese bis in unsere Tage nachwirkenden antiklerikalen Traditionen des nationalliberalen Lagers wurden wie alle anderen ideologischen Inhalte im Zuge des Anwachsens der Haider-FPÖ zu einer plebiszitären Emanzipationsbewegung gegen das politische Establishment in einem Maße aufgeweicht und trivialisiert, daß im gegenständlichen Fall eben sogar der Achsensprung ins Gegenteil möglich wurde. Ähnlich wie beim nationalliberalen Deutschnationalismus, der von den Gegnern immer als österreichfeindlich interpretiert wurde, verhält es sich nunmehr mit dem von Gegnern immer als religionsfeindlich interpretierten Antiklerikalismus. Beide für das Dritte Lager ehemals konstitutiven ideologischen Elementen wurden ins Gegenteil verkehrt. Der Deutschnationalismus wurde von einem lauthals gepredigten Österreichpatriotismus abgelöst, der Antiklerikalismus vom "Bündnis mit den Kirchen".

Möglich waren diese Achsensprünge aber dennoch nur deshalb, da es in beiden Fragen unterschwellige Entwicklungen gegeben hat, denen jenseits jeglicher Parteitaktik und jeglichen Opportunitätsdenkens eine gewisse Schlüssigkeit nicht abzusprechen ist: Die Nationalliberalen der Zweiten Republik interpretierten ihr kulturdeutsches Bekenntnis immer auf der Basis eines betonten österreichischen Heimatgefühls. Das kulturdeutsche Bekenntnis will man nun offenbar eliminieren, das Heimatbekenntnis zum Österreichpatriotismus hochstilisieren. Der Antiklerikalismus auf der anderen Seite war in eben jenem Maße bedeutungsloser geworden, als die Kirche selbst sich aus der Politik zurückzog. Nun kann man in den blauen Reihen mit einigem Recht feststellen, daß der "Rechtspopulist" Jörg Haider ebenso wie etwa der "Rechtskatholik" Kurt Krenn Opfer eines politisch korrekten "Tugendterrors" seien. Die gleichen Gegner verbinden eben.

Darüber hinaus gibt es soetwas wie eine wertkonservative Übereinstimmung freiheitlicher aber auch katholisch-konservativer Kräfte. Die taktische ebenso wie die ideelle Basis für einen Minimalkonsens scheint also tatsächlich gegeben.


 
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