© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    17/97  18. April 1997

 
 
Hochschule: 700 Millionen Mark für Frauen sind frei erfunden
Geschminkte Förderung
von Björn Hauptfleisch

Für die einen kündigte es den Untergang des Abendlandes an. Für die anderen war es ein wichtiger Baustein der Gleichberechtigung. Das Hochschulsonderprogramm 3 ( HSP) soll unter anderem den Frauenanteil an Universitäten deutlich heben.

Das Programm ist eine gemeinsame Initiative von Bund und Ländern. Insgesamt 3,6 Milliarden Mark wurden am 2. September 1996 dafür bereitgestellt. Befristet ist die Maßnahme bis zum Jahr 2000. Der Bund übernimmt rund zwei Milliarden Mark. Soviel Aufwand wird getrieben, um wichtige Ziele zu erreichen. 1337 Millionen sind vorgesehen, um die Struktur der Hochschulen zu verbessern. Für den wissenschaftlichen Nachwuchs stehen 865 Mio bereit, für die Fachhochschulen 600 Millionen. Geringere Beträge gehen in die internationale Zusammenarbeit (420 Millionen) und den Abschluß der Hochschulerneuerung in Mitteldeutschland (178 Millionen). Für die publicity-trächtige Frauenförderung wären also nur 200 Millionen Mark übrig, um auf die veranschlagten 3,6 Milliarden zu kommen. Im HSP werden neben dieser Summe jedoch weitere 720 Millionen ausgewiesen.

Ausdrücklich erwähnen die Verfasser, daß es sich dabei um 20 Prozent des Gesamtvolumens handelt. In der tabellarischen Auflistung aller Posten sucht man diese Zahl allerdings vergebens. Trotzdem wurden die erwähnten Zahlen eilfertig von den Medien aufgegriffen. Bei den 720 Millionen Mark handelt es sich aber um Gelder, die bereits in den personenbezogenen Leistungen der anderen Punkte des Hochschulsonderprogramms eingeplant sind. Mit der Frauenförderung haben sie gar nichts zu tun. Diese beschränkt sich auf Stipendien für Frauen in der Familienphase bzw. danach. Zusätzlich haben einige Länder Habilitationsprogramme mit einer eng begrenzten Stellenzahl für Frauen gestartet. Nordrhein-Westfalen hat das entsprechende Programm nach der Physikerin Lise Meitner benannt. Baden-Württemberg und Niedersachsen bieten weniger bekannte Namen auf: Margarete von Wrangell und Dorothea Erxleben. Zusammen kostet dies 200 Millionen Mark. Trotzdem gibt man die Summe von 720 Millionen an. Man rechtfertigt das mit der besonders Frauen ansprechenden Ausgestaltung der personenbezogenen Förderung. In der Stellungnahme des Niedersächsischen Wissenschaftsminsteriums heißt es dazu: "Diese Mittel umfassen die über die Wissenschafts- und Forschungförderungsorganisationen vergebenen Stipendien und Stellen sowie die über die Länder durchgeführten Fördermaßnahmen. Soweit im Rahmen der personenbezogenen Maßnahmen Ausgaben für Wissenschaftlerinnen geleistet werden, werden diese der Frauenförderung zugeordnet." In Bremen besteht man hingegen darauf: "Es werden nicht alle Summen, die an Frauen gezahlt werden, als Frauenförderung verbucht."

Sachsen-Anhalt bietet sogar konkrete Zahlen an. Diesen Angaben nach gingen bislang 1,15 Millionen in die Frauenförderung im engeren Sinne. Insgesamt seien drei Millionen Mark an Frauen gezahlt worden. Die Quote von über 50 Prozent, die man in Sachsen-Anhalt stolz präsentiert, bezieht sich aber nur auf die personenbezogenen Ausgaben. Die gesamte Summe 1996 aus dem HSP für dieses Bundesland beträgt rund 20 Millionen. Die 20-Prozent-Quote wird also auch hier nur annähernd erreicht, wenn man alle Zahlungen an Frauen als "Frauenförderung" verbucht.

Bemerkenswert ist die Zurückhaltung anderer Wissenschaftsministerien. Von 16 angeschriebenen Landesministerien antworteten nach über zwei Monaten nur acht auf die Frage nach dem Verbleib der Gelder. Ob man sich bei dem Versuch ertappt fühlte, sich mit gestohlenem Lorbeer zu schmücken? Die Antworten fielen teilweise ziemlich schwammig aus. So gibt das baden-württembergische Wissenschaftsministerium den Passus über die 720 Millionen wieder und ergänzt: "Die Mittelvergabe erfolgt hierbei im Sinne der Förderung von Frauen in der Wissenschaft und ausschließlich an Frauen." Dem widerspricht sofort die Meldung aus Thüringen. Zunächst schildert sie die Stipendien in der Familienphase und fährt fort: "Das HSP 3 sieht vor, 20 Prozent des Gesamtansatzes bei den personenbezogenen Maßnahmen zur Förderung von Frauen zu verwenden. Somit tragen auch alle anderen Maßnahmen zur Frauenförderung bei. Bei den übrigen Maßnahmen wird es allein aufgrund des Geschlechts eine Mittelvergabe nicht geben."

Peinlich wäre das Vermischen von Frauenförderung mit anderen Personalmaßnahmen allemal. Denn so würden im HSP zwei Kategorien von Menschen gefördert: Begabte einerseits und Frauen andererseits.


 
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