© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    17/97  18. April 1997

 
 
Zinnsoldatenspiele
Kommentar
von Johanna Christina Grund

Wer will unter die EU-Soldaten? Außer einigen eifrigen Euro-Turbos will niemand! Deshalb mutet der jüngste Verstoß der deutschen und französischen Musterknaben unter den Außenministern der "Union" zuhanden der Regierungskonferenz für "Maastricht II" auch eher als eine forsche Attacke mit Zinnsoldaten in der Brüsseler Sandkistenschlacht an, denn als unmittelbar bevorstehende Militarisierung des besternten Machtkartells. Es geht um einen Drei-Stufen-Plan, nach dem die WEU als Beistandspakt in die EU überführt und dann für deren Mitglieder verpflichtend sein soll. Die Absicht ist spätestens sei dem "Maastrichtvertrag" (Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik, Titel V. Artikel 14, Ziffern 1 bis 6) und seit der Studie des Außenkommissärs Hans van den Broek (siehe JUNGE FREIHEIT 15/96, 12. April 1996, "Sterben für die EU?") bekannt. Der Artikel 5 des WEU-Vertrages soll Inhalt des neuen Unionsvertrages werden.

Die Praxis schaut jedoch ganz anders aus, als die Verteidigungsplaner sich das vorstellen. Vor wenigen Tagen zum neuerlichen Sondertreffen der Außenminister in Noordwijk verschärften sich Streit und Uneinigkeit sogar. Der Kreis der EU-Mitglieder ist nicht deckungsgleich mit demjenigen der WEU-Staaten. Und selbst von den NATO-Mitgliedern gehören nicht alle der WEU an. Die Neutralen sind überhaupt nicht in der WEU, es sei denn als Beobachter. Deshalb leisten Großbritannien, Dänemark mit Sonderstatus, Irland, das jede Beistandsverpflichtung ablehnt, Schweden und Finnland im Vertrauen auf eigene militärische Kraft, erbittert Widerstand gegen den Plan. Sie alle wollen in keine bewaffneten oder sogar kriegerischen Konflikte der EU hineingezogen werden. Fundamentaler Hintergedanke der militärischen Integration ist nämlich der Aufbau einer Eingreiftruppe, die kommende soziale oder nationale Aufstände in den Beistandsstaaten niederschlagen oder zahlungsunwillige bestrafte EU-Mitglieder zur Räson bringen kann.

In Österreich haben diese Brüsseler Planspiele die Diskussion befördert, ob oder inwieweit die nach dem Staatsvertrag übernommene Neutralität unter dem Anspruch der EU weitergeführt werden kann. Neutral bleiben zu dürfen, galt als eine der Versprechungen der "Ja"-Werber vor dem EU-Beitritt. Nun droht auch diese Zusicherung in Scherben zu fallen. Deshalb erscheint es logisch und vernünftig, das Volk darüber abstimmen zu lassen, ob es an der österreichischen Neutralität festhalten oder den Weg in eine Militärmacht der EU oder gar in die NATO gehen will. Die Sache wird aber noch spannender: Das am 12. Juni 1994 beschwindelte Volk bekommt dann eine neue Chance, über einen EU-Vertrag abzustimmen. Ein weiteres neutrales Österreich könnte "Maastricht II" nicht erfüllen.


 
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