© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    17/97  18. April 1997

 
 
Köpfe und Karrieren
von Johann F. Balvany

Der Berliner Mykonos-Prozess hat nicht nur den dortigen iranischen, staatsamtlichen Kurdenmord bestätigt, sondern auch die Tatsache, wonach der großkoalitionäre Ballhausplatz 1989, die vom Mullahregime nach Wien entsandten Killer des Kurdenführers Ghassemlu und dessen Begleitung, laufen ließen. Und zwar dies nur deshalb, weil andernfalls die Turbanmänner Beweise auf den Tisch zu knallen drohten, daß die sozialistische Regierungsspitze Österreichs unter Umgehung der von ihr selber geschaffenen Ausfuhrverbote gleichzeitig an beide Parteien des 1. Golfkrieges (1980 bis 1988) an den Irak und an den Iran Waffen geliefert haben. Mit betretenem Antlitz und gewundenen Worten versprach der Wiener Generaldirektor für Öffentliche Sicherheit, Michael Sika, vor den ORF-Kameras, die neue Lage zu prüfen. Er wird sich wohl keine große Mühe geben: Er müßte nämlich die Neu-Verhandlung des Linzer NORICUM-Prozesses anordnen. Genau gesagt: neue Zeugen unter Eid aussagen lassen und verhindern, daß der Leiter der parlamentarischen Untersuchungskommission, Ludwig Steiner (ÖVP) den Vertuschungsmanövern die Mauer macht, und daß die Hauptangeklagten Ex-Bundeskanzler Fred Sinowatz, Ex-Innenminister Karl Blecha und Ex-Außenminister Leopold Gratz mit Alibi-Urteilen davonkommen.

Bezeichnenderweise hat damals der Linzer Staatsanwalt von seinem Einspruchsrecht gegen die Gefälligkeitsurteile keinen Gebrauch gemacht, und er wurde am nächsten Tag vom sozialistischen Justizminister zum Oberstaatsanwalt befördert. Die Reinwaschung der Sinowatz’schen Regierungsspitze von der Mitwisserschaft und von der Mittäterschaft in der Waffenaffäre war für nicht-großkoalitionäre Beobachter schon damals eine Farce. Wurden doch die beiden damaligen Botschafter Österreichs in Bagdad nicht einvernommen und auch der Schreiber dieses Berichtes nicht, der damals acht Jahre lang als Korrespondent im Irak tätig war. Wären die genannten Personen damals vor Gericht zu Wort gekommen, hätte in Linz kein "solches" Urteil erbracht werden können, und auch Teheran hätte kein dermaßen wirksames Erpressungsmittel in die Hand bekommen. Für das Ansehen der österreichischen Justiz ist nur zu hoffen, daß in der Causa NORICUM noch nicht aller Tage Abend ist!


 
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