© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    18/97  25. April 1997

 
 
Schulden Ost: Gezahlt wird später — oder nie
Die Altlast der LPGs
von Ronald Schröder

In der staatlichen Zentralverwaltungswirtschaft der DDR wurden Kredite willkürlich verteilt. Ob den Unternehmen Gewinne zum Investieren belassen oder ob sie zur Kreditaufnahme gezwungen wurden, war von ihnen genauso wenig zu beeinflussen, wie die zu finanzierende Maßnahme selbst. Sie mußten nicht nur Güter des Anlage- und Umlaufvermögens über Kredite finanzieren, sondern auch Kulturhäuser, Wohnungen und Dorfstraßen. Ebenso willkürlich wie die Kreditvergabe wurde auch die Entschuldung gehandhabt, wenn Kredite von einem zum anderen Unternehmen verschoben wurden. Insofern war die Höhe der Verschuldung zum Zeitpunkt der deutschen Einheit eher eine zufällige Größe als ein Indikator für die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit eines Unternehmens.

Anders als die ehemals staatlichen Industrie- und Landwirtschaftsbetriebe bzw. die Wohnungswirtschaft der DDR, die vor der Privatisierung vom Bund übernommen und zu über 80 Prozent entschuldet bzw. deren Verbindlichkeiten bis auf einen geringen Restbetrag gekappt und ebenfalls in den Erblastentilgungsfonds eingebracht wurden, blieben die Altschulden der Landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaften (LPG) im Einigungsvertrag ungeregelt.

Die damals rund 4.000 LPGs hatten zum Zeitpunkt der Währungsunion Gesamtschulden von 7,6 Milliarden. Von etwa 1.400 als sanierungsfähig eingestuften LPGs löste die Treuhand im Nachgang trotzdem rund 1,4 Milliarden ab. Die LPGs selbst tilgten ganze 600.000 Mark. Zudem erfolgte eine Zinsstundung. Durch die aufgelaufenen Zinsen erhöhten sich diese Schulden bis auf aktuell rund 10 Milliarden.

Als sich abzeichnete, daß der Bund zu einer generellen nachträglichen Schuldenübernahme nicht bereit sein würde, bildete Karlsruhe die letzte Hoffnung der nicht sanierungsfähigen Landwirtschaftsunternehmen. Das Urteil des Bundesverfassungsgerichts, bei der Regelung der LPG-Altschulden habe es sich um einen legitimen politischen Gestaltungsspielraum gehandelt, war der Todesstoß für diese Betriebe. Von einem Angriff auch auf wirtschaftlich erfolgreiche LPG-Nachfolgebetriebe kann jedoch keine Rede sein, da die Verpflichtung zur Tilgung erst bei der Erwirtschaftung von Gewinnen besteht.

Der insbesondere von der PDS erhobene Vorwurf, auf diese Weise wolle man sich insgesamt der Konkurrenz der sehr leistungsfähigen ehemaligen DDR- Landwirtschaftsstrukturen entledigen, ist völlig haltlos. Der Struktur- und Qualitätsanpassungsprozeß hat sich in der Landwirtschaft der neuen Bundesländer nicht schneller oder besser vollzogen als in der Industrie. Daß sich der Anpassungsprozeß zwischen den Alt- und den Neubundesländern in der Landwirtschaft in weiten Teilen erfolgreicher vollzog als in der Industrie, lag nicht an der besonderen Leistungsfähigkeit der DDR-Landwirtschaft, sondern allein an der Tatsache, daß auch in den alten Ländern jede zweite Einkommensmark der Landwirte aus Subventionsregelungen resultiert. In einer solchen vom Weltmarkt abgeschirmten Branche, wo vorrangig politische Kriterien über die Höhe der Betriebsgewinne entscheiden, war es unproblematischer ,,wirtschaftlich erfolgreich" zu sein, als in Branchen, wo Marktmechanismen des internationalen Wettbewerbs über einen Unternehmenserfolg entscheiden. Gemäß dem Bundesverfassungsgerichtsurteil wird es in fünf Jahren, wenn der Bund zur Überprüfung der Lage der wirtschaftlich rentablen Unternehmen aufgefordert ist, vermutlich zur Entschuldung dieser Betriebe durch den Bund kommen, was dann rund 7 bis 8 Milliarden kosten dürfte.


 
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